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© VVN-BdA Stade
2004
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Ein regnerischer Morgen. Graupel und kleinere Schauer gehen am 21. Dezember
2004 auf den Parkplatz der Berufsbildenden Schulen in Daulsen bei Verden
nieder. Sascha Jörg Schüler, Stützpunktleiter der Jungen
Nationaldemokraten (JN) in der Region Verden/Aller und Rotenburg/Wümme,
steigt aus seinem Fahrzeug, einem blauen Polo mit Brandenburger Kennzeichen,
der wenige Stunden später die Aufmerksamkeit einer Hundertschaft der
Polizei Verden erregen wird. Ein ereignisreicher Tag beginnt!
Das Ende der letzten Stunde nähert sich im Schulzentrum, und die
Schüler beginnen langsam, sich auf den Heimweg vorzubereiten. Sascha
Jörg Schüler ist nicht alleine auf dem Parkplatz, mehrere Neonazis
aus Verden, Bremen und Nienburg haben sich um ihn geschart, um die Schüler
beim Verlassen der Schule abzufangen. Ausgestattet mit Dutzenden von Exemplaren
der dritten und neuesten Ausgabe von Der Rebell, einer
»Nationalistischen Schülerzeitung für Schülerinnen und
Schüler aus der Region« warten sie auf ihren Einsatz, um ihre
Propagandaschriften zu verteilen.
Ebenfalls auf dem Parkplatz befinden sich zu diesem Zeitpunkt einige
AntifaschistInnen und ein freier Journalist, die im Vorfeld von der geplanten
Verteilungsaktion informiert waren. Als die Neonazis um den
»JN-Stützpunktleiter« Sascha Jörg Schüler ihre
Beobachter bemerken, bedrängen sie diese und versuchen, sie durch
Bedrohungen vom Parkplatz zu vertreiben. Nachdem das nicht gelingt, brechen
die Neonazis ihre Verteilaktion vorzeitig ab und machen sich auf den Weg
zu ihren Fahrzeugen. Als Schüler, der momentan auf dem Nazi-Schulungs-
und Strategiezentrum
»Heisenhof«
in Dörverden eine Bleibe gefunden hat, sichtlich gereizt sein Auto startet,
startet er auch das voraussichtliche Ende seiner politischen Karriere.
Sascha Jörg Schüler (Foto:
Recherche-Nord)
Laut Polizeibericht fuhr der Neonazi bewusst auf den Journalisten zu, rammte
ihn und schleuderte ihn so auf seine Motorhaube. Anschließend, als
sich das Opfer auf der Motorhaube befand, habe der 22-Jährige noch einmal
Vollgas gegeben und dann abrupt gebremst. Dadurch wurde der Mann von der
Motorhaube zu Boden geschleudert. Er zog sich dabei eine Knieverletzung sowie
eine Gehirnerschütterung zu. Wenige Sekunden später heulte der
Motor wieder auf. Sascha Jörg Schüler entfernte sich mit quietschenden
Reifen vom Unfallort. Die anderen NPD-Mitglieder, die ebenfalls zu diesem
Zeitpunkt in zwei anderen Autos saßen, folgten seinem Beispiel.
Nachdem die Neonazis den Parkplatz überhastet verlassen hatten, sammelten
sie sich auf einem wenige Kilometer entfernten Parkplatz in einem Waldstück
beim nahe gelegenen Örtchen Scharnhorst, wo sie die Fahrzeuge umbesetzten
und sich unbeeindruckt von den Geschehnissen zum Domgymnasium in die Verdener
Innenstadt aufmachten, um dort ebenfalls Propagandamaterial zu verteilen
und ihre »Schuloffensive« fortführen. Doch auch diesmal wurden
sie erwartet. AntifaschistInnen dokumentierten die Verteilaktion,
SchülerInnen des Gymnasiums zerrissen die verteilten Exemplare des
Rebellen und stopften sie in die umliegenden Mülleimer. Unter
Schmährufen der SchülerInnen mussten die Neonazis das Feld
räumen.
Einige Stunden später gerieten die NPD'ler, der Stützpunktleiter
der JN und der »Heisenhof« noch einmal in das Zentrum des
öffentlichen Interesses. Aufgrund der Ereignisse in Daulsen, wo der
Journalist verletzt wurde, rückte die Verdener Polizei mit einem
richterlichen Durchsuchungsbeschluss für den »Heisenhof« in
Dörverden ein, um das Fahrzeug und den Führerschein von Sascha
Schüler zu beschlagnahmen. Laut Verdener Polizei sei klar, dass das
Auto als Waffe benutzt worden war. Zu der Durchsuchung des Geländes
kam es aber nicht, weil das Fahrzeug im Moment des Eintreffens der Polizei
gerade das Grundstück verlassen wollte und dabei von der Polizei angehalten
wurde. Vermutet wird, dass Jürgen Rieger, Rassist, Rechtsanwalt und
der Bevollmächtigte des »Heisenhofes«, die Neonazis aufgefordert
hatte das Fahrzeug vom Grundstück zu entfernen, um eine Durchsuchung
des Geländes zu verhindern.
Dem rasanten Aufstieg des Stützpunktleiters steht nun wohl der ebenso
rasante Absturz bevor. Nachdem er im Laufe des Jahres an mehreren
Übergriffen beteiligt war (unter anderem wurde er mittlerweile zu einer
Geldstrafe und Bewährung verurteilt, aufgrund der versuchten
Erstürmung einer Veranstaltung der GEW zum Thema »Rechtsextremismus
an Schulen«), steht ihm nun der nächste Prozess bevor:
gefährliche Körperverletzung, Fahrerflucht, gefährlicher Eingriff
in den Straßenverkehr, etc. Dies wird seine geäußerten
Ambitionen auf das Amt des Bürgermeisters in Dörverden vermutlich
schmälern. Doch nicht nur von Seiten des Staates schwebt das
sprichwörtliche Damokles-Schwert über seinem Kopf. Auch aus dem
eigenem politischem Lager wird der Gegenwind nun stärker werden.
Nach der konspirativ organisierten Schulungsveranstaltung mit Peter Naumann
auf dem Gelände des »Heisenhofes« liegt der Stützpunktleiter
im Konflikt mit dem Eigentümer Jürgen Rieger. Rieger hat seit
längerem persönliche Probleme mit Peter Naumann und dieser
Veranstaltung nicht zugestimmt. Auch dass die JN weiter
Renovierungsmaßnahmen auf dem »Heisenhof« tätigt wird
nicht die Zustimmung Riegers haben. Nachdem in der Woche vor Weihnachten
ein Baustopp für die illegalen Renovierungen verhängt wurde, trugen
die NPD- und JN-Aktivisten ungeachtet dessen in den darauf folgenden Tagen
unter Leitung Schülers neben Baumaterialien auch Lautsprecheranlagen
in die Gebäude. Im Hinblick auf den Baustopp, der durch das zuständige
Ordnungsamt erteilt wurde, dürften auch die Arbeiten einer Heizungsbaufirma
aus dem Raum Seevetal/Maschen auf dem Grundstück des Nazi-Schulungszentrums
für die Behörden und das Ordnungsamt interessant sein.
An eine weitere Geschichte, die im Laufe des Jahres fast in Vergessenheit
geraten ist, sollte dabei erinnert werden. Am 12. Januar 2004 bedrängten
zwei Dutzend Neonazis eine von Schülern des Gymnasiums in Buxtehude
organisierte
Veranstaltung
über »Neofaschismus in der Bundesrepublik
Deutschland« so massiv, dass diese abgebrochen werden musste.
Auf dieser Veranstaltung verteilten die angereisten Neonazis Flugblätter,
auf denen sie ein Mitglied der VVN-BdA der Zusammenarbeit mit dem
Verfassungsschutz bezichtigten. Ein Gericht verurteilte am 1. Oktober die
NPD zu einer
Entschädigungszahlung,
weil sie die falsche Tatsachenbehauptung in ihrem Parteiorgan
Niedersachsenspiegel verbreitet hatte. Verantwortlich für den
Text des Flublattes war Sascha Jörg Schüler. Sein Flugblatt kostete
die NPD 3.000 Euro und wird nun auch mit Hinblick auf die jüngsten
Ereignisse in Verden auch noch für Klärungsbedarf und Unstimmigkeiten
mit der niedersächsischen Führungsspitze sorgen.
Gruppenbild mit Neonazis (Foto: Recherche-Nord)
Schüler und die Verdener NPD sehen schweren Zeiten entgegen. Nachdem
sie im Verlauf des Jahres auf jeder überregionalen Veranstaltung
herumgereicht und wegen ihrer politischen Arbeit hoch gelobt wurden, schlagen
die Aktivitäten von Schüler nun auf die eigene Struktur zurück.
So war auch die versuchte Erstürmung der GEW-Veranstaltung, wo Mitglieder
der NPD Verden/Rotenburg Wümme und Mitglieder der »Kameradschaft
Weserbergland «unter der Leitung Schülers, der als
Rädelführer agierte, in politischer Hinsicht ein Misserfolg, da
diese Aktion in einem Desaster für die angereisten Neonazis endete.
Die mitgeführten Totschläger, Knüppel, Axtstiele und die NPD
Transparente führten im Nachhinein zu Verurteilungen in nicht geringem
Ausmaß.
Auch eine von Sascha Jörg Schüler in der Funktion als
Versammlungsleiter geführte
NPD-Demonstration in Rotenburg/Wümme,
wo unter anderem der verurteilte Holocaustleugner Günther Deckert am
13. März 2004 einen Auftritt hatte, wird für das Umfeld Schülers
noch einige Auswirkungen haben. Einer der Ordner dieses Aufmarsches, der
19-jährige Arvid S. aus Stadthagen, der nach eigenen Angaben über
Schüler in die JN kam, entpuppte sich als unkalkulierbarer Faktor. Er
attackierte und verletzte einen Gegendemonstranten so massiv, dass dieser
beinahe sein Augenlicht verlor. Da die Taten der Ordner auf den
Versammlungsleiter und seine Organisation zurückschlagen werden, lässt
dies die NPD bei ihren Anbiederungsversuchen in der Öffentlichkeit in
keinem guten Licht erscheinen.
Inwieweit diese Aktivitäten Schülers dem 2004 zum stellvertretenden
Bundesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten beförderten Achimer
Florian Cordes schaden, wird die Zukunft zeigen. Es ist fraglich, wie lange
die NPD und ihre Jugendorganisation die JN einen verurteilten Gewalttäter,
dessen weiteres Vorgehen nicht voraussehbar erscheint, weiter politisch tragen
kann. Sollte sich die JN dagegen auf die Seite ihres Stützpunktleiters
schlagen, würde sich erweisen, welche Vorgehensweise die JN auch in
Zukunft bevorzugen wird.
Paul Stöver
Sascha Jörg Schüler
wurde am 18. Mai 2006 vom Amtsgericht Verden wegen
gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs
in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten,
ausgesetzt für 3 Jahre zur Bewährung verurteilt.
Zusätzlich muss er 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Der Grund der Verurteilung war sein Delikt vom 21. Dezember 2004 (s.o.).
Sascha Jörg Schüler, er lebt z.Zt.
in Baden-Würtemberg, war der Polizei kein unbekannter. Er hatte
bereits ein langes Vorstrafenregister: Sachbeschädigung, Tragen
von verfassungsfeindlichen Symbolen, Mitführen einer Waffe auf dem
Weg zu einer öffentlichen Veranstaltung, Körperverletzung,
fahrlässige Körperverletzung und dreimal "Eintragungen
aufgrund fehlender TÜV-Prüfungen".
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