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© VVN-BdA Stade 2003



Ratssitzung am 2. Juni 2003

Antrag der SPD-Fraktion zum Umgang mit Einwohnerfragen in der Sitzung am 17. März 2003

Stader Tageblatt vom 4. Juni 2003

Viel Wirbel um »Klamauk«
Ott-Äußerung führte zu Debatte im Stader Rat
Von Peter von Allwörden

Stade. Zu einer hitzigen Diskussion führte am Montag im Stader Rat eine schriftliche Anfrage der SPD-Fraktion. Anlass war, dass CDU-Bürgermeister Hans-Hermann Ott die Nachfrage eines Bürgers in der Einwohnerfragestunde auf der Sitzung des Stader Rates Mitte März nicht zugelassen hatte. Er habe Klamauk vermeiden wollen, sagte Ott damals.
Kurz zur Erinnerung: Im Sommer 2002 hatte Ott einen Brief von Bundeskanzler Gerhard Schröder einem Stader Kaufmann offiziell überbracht. Dieser Kaufmann hat eine unrühmliche Nazi-Vergangenheit und ist als SS-Mann nach dem Krieg verurteilt worden. Der Stader Uwe Ruprecht hatte in seiner Anfrage an den Bürgermeister unter anderem wissen wollen, ob Ott von der Nazi Vergangenheit des Kaufmanns gewusst habe. Eine Nachfrage Ruprechts hatte Ott mit eben jener unglücklichen Formulierung, »Klamauk« vermeiden zu wollen, nicht zugelassen.
Nach der Gemeindeordnung hat er sich damit zwar korrekt verhalten, weil es in der Tat eine Ermessensfrage ist, ob Nachfragen zugelassen werden. Für die SPD-Fraktion war dieses Verhalten Otts Anlass, kritisch nachzufragen, wie er künftig mit Zusatzfragen umzugehen gedenke. Zudem wollte SPD-Fraktionschef Klaus Quiatkowsky wissen, ob Ott »tatsachenrelevante Informationen« habe, warum eine Nachfrage Ruprechts zu Klamauk geführt hätte, und ob er ein Gespräch mit dem Fragesteller zu führen beabsichtige.
Das brachte die CDU-Fraktion auf den Plan und auf die Palme. Fraktionschef Karsten Behr sprach von bösen Unterstellungen gegenüber dem »sehr ehrlichen und höchstanständigen Bürgermeister«. Die Anfrage der SPD sei »kein guter Stil, fast schon unanständiges Verhalten«. Man hätte das auch in einer nicht öffentlichen Aussprache klären können.
Keinesfalls wolle man die Ehrenhaftigkeit und das Demokratieverständnis Otts anzweifeln, erwiderte Quiatkowsky. Jedoch muss es möglich sein, die Frage, man grundsätzlich mit Bürgerfragen umgehe, öffentlich zu diskutieren. SPD-Ratsherr Manfred E. Schulz setzte noch einen drauf: »Eine sachliche Kritik an Bürgermeister ist keine Majestätsbeleidigung.«
Die CDU argwöhnte, dass der SPD nur daran gelegen sei Ott öffentlich zu diskreditieren. Äußerst aufgebracht reagierte Oliver Grundmann von der CDU: Es werde der Eindruck erweckt, die CDU und ihr Bürgermeister würden ihre »schützende Hand« über die Sache um besagten Kaufmann legen.
Rückenstärkung bekamen und die CDU vom Grünen Ratsherrn Uwe Merckens. Die Gruppe um Herrn Ruprecht habe nichts anderes im Sinn, als den Bürgermeister zu demontieren. Merckens: »Da mache ich nicht mit.« Auch WG-Fraktionschef Reinhard Srock sieht in der ganzen Aktion und in der Anfrage der SPD den Versuch, an Otts Image zu kratzen. Der Bürgermeister zeichne sich durch »Gradlinigkeit und Bürgernähe« aus.
An Otts Image kratzen zu wollen, dementierten heftig Vertreter der SPD. »Wir wollen niemanden an den Karren fahren«, beteuerte Quiatkowsky. Es gehe lediglich um den Grundsatz, wie man kritischen und unbequemen Fragen im Rat umgehe.
Am Ende blieben die Positionen verhärtet. Die CDU unterstellte der SPD die böse Absicht, den Bürgermeister öffentlich vorzuführen, während die SPD beteuerte, lediglich eine kritische Diskussion über den Umgang mit Bürgerfragen angeregt haben zu wollen.
Am Ende blieb aber auch fader Nachgeschmack, wie es Ruprecht und seinen Mitstreitern um den Bund der Antifaschisten gelungen ist, durch unterschwellige Unterstellungen eine Diskussion anzuheizen. Hans-Hermann Ott, der sich völlig aus der Debatte raus gehalten hat, ging letztlich als Gewinner aus dem Schlagabtausch hervor: Von allen wurde ihm politische Lauterkeit attestiert.


Leserbriefe

Zu einigen Unwahrheiten des Artikels:
1. Der Stader Kaufmann G. Wolters ist nicht »als SS-Mann« verurteilt worden, sondern wegen Massenmord an sowjetischen Gefangenen. Weitere Massenmorde an sowjetischen Juden 1941-42 während seiner Tätigkeit bei der SS-Einsatzgruppe B sind nicht geahndet worden. Dies eine »unrühmliche Nazi-Vergangenheit« zu nennen, ist eine entsetzliche Verharmlosung.
2. Uwe Ruprecht »und seinen Mitstreitern« zu unterstellen, sie hätten durch »unterschwellige Unterstellungen eine solche Diskussion angeheizt«, ist eine Denunziation. Wieder hielt das Tageblatt es nicht für nötig, die Betroffenen selbst zu befragen. Alle Informationen, die Ruprecht, ich und andere Personen über Wolters und seine Gönner verbreitet haben, sind keine Unterstellungen, sondern Tatsachen.
Warum stellten Ruprecht und ich in der Ratssitzung vom 17.3. Einwohnerfragen (über die das Tageblatt seinerzeit kein Wort verlor)?
Im November 2002 wurde der Vorsitzende der Stader Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Peter Meves, in einem Tageblatt-Artikel denunziert. Ebenfalls ohne Meves selbst zu befragen, wurden damals Aussagen von Bürgermeister Ott und aus »Insiderkreisen« verbreitet. Meves habe bei einer von der Stadt geplanten Veranstaltung über die SS-Vergangenheit von Wolters reden und damit einen »Eklat« provozieren wollen. Die Stadt habe deshalb die Veranstaltung absagen müssen, die CDU werde die »Zusammenarbeit« mit der DIG beenden.
Von dieser Unterstellung an P. Meves abgesehen, ist es schon peinlich, dass die Stadt eine Veranstaltung absagt, weil über einen noch lebenden SS-Mörder nicht geredet werden soll. Dies auch noch als »Eklat« zu bezeichnen, zeigt deutlich, wer für die Verantwortlichen der Stadt Stade die Gegner sind: Juden (oder die man als deren Vertreter ansieht) und Personen, die endlich eine Aufklärung über Täter des NS-Regimes einfordern. Darüber wird in Stade seit über einem halben Jahr beharrlich geschwiegen. Wenn es nach dem »sehr ehrlichen und höchstanständigen« Bürgermeister Ott, seinen jungen Mitstreitern vom CDU-Fraktionsvorstand und den Grünen geht, soll auch weiter geschwiegen werden. Dazu erfindet man einfach eine geplante »Demontage« des Bürgermeisters.
Unterschwellig ist höchstens, dass weder Ruprecht noch ich diese Vorgänge bislang als Antisemitismus bezeichnet haben. Das hole ich hiermit nach.

Detlef von Busch


Schönen Dank für die Schmeicheleien. Für die Würdigung meiner Subtilität. »Unterschwellige Unterstellungen« soll ich laut Tageblatt gemacht haben. Allerdings muss man nicht sonderlich tief graben, um Unterirdisches zu entdecken. Die Fakten sprechen für sich, und die habe ich gerade heraus benannt. Namen, Daten, Beobachtungen - Werturteile brauche ich nicht aufzuschreiben, bei dieser Sachlage.
Die schlichten Fakten enthält das Tageblatt seinen Lesern seit einem halben Jahr vor. Auch im Bericht über die Ratssitzung vom 2. Juni wird geschwiegen was das Papier hält.
Wahrscheinlich ist es eine Illusion, in Stade eine offene, eine demokratische Debatte führen zu wollen - denn darum geht es und nicht, wie das Tageblatt suggeriert und andere laut aussprechen, um den Sturz des Bürgermeisters. Der und andere grüßen mich übrigens nicht mehr.
Gegenstand der Kontroverse, die außerhalb der Lokalpresse stattfindet, ist eine vom Kanzleramt im Verein mit dem Rathaus durch den Bürgermeister vorgenommene Ehrung für einen NS-Massenmörder. Und es geht darum, dass im gleichen Atemzug der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Stade der Deutsch-Israelischen Gesellschaft DIG, Dr. Peter Meves, zur Unperson geworden ist. Über diese merkwürdige Parallelität soll in unserem kleinen Städtchen partout nicht laut geredet werden, selbst wenn es Thema bei zwei Ratssitzungen ist.
Wer sich selbständig informieren will, sei auf mehrere dokumentarische Darstellungen im Internet verwiesen. Unter den Suchworten »gustav feinkosthändler stade« findet sich genug zur Bildung einer eigenen Ansicht. Lesen Sie nach, was der Mann gemacht hat, und entscheiden für sich, ob er mehrfache Bezeugungen von Ehrerbietung verdient hat. Er hatte die Wahl.
So begänne eine echte Debatte. Man sieht, wie weit man damit in Stade ist. Gerüchte, Denunziationen, Diffamierungen, Halbwahrheiten, in Hinterzimmern Gerauntes, Geflüstertes, Klönschnack in der Hökerstraße, Verschwörungen und passende Theorien - wie alle Tage.

Uwe Ruprecht


Es geht in der Affäre um den Stader Kaufmann nicht um das Wort »Klamauk« oder die Reputation des Bürgermeisters Ott, sondern um den Umgang in dieser Stadt mit der Vergangenheit. Folgendes - in Ihrer Zeitung nur höchst partiell berichtet - ist geschehen:
Am 24.6.2002 empfahl ich Bürgermeister Ott im Beisein des Stadtdirektors einen ehrenden Brief des Bundeskanzlers an den besagten Kaufmann erst auszuhändigen, nachdem der Stadtarchivar geprüft hätte, daß die in Stade umlaufenden Gerüchte über denselben haltlos seien. Der Bürgermeister lehnte ab mit dem Hinweis: Man müsse auch vergeben können. So überbrachte Herr Ott gleich nach diesem Gespräch den Brief.
Im Sommer 2002 empfahl ich einen anläßlich der Israel Kulturtage vorgeschlagenen Vortrag über die Gedenk- und Mahnstätte Ahlem, wo der Kaufmann nach seinem Einsatz im Osten als Mitglied des Einsatzkommandos 9 (EK 9) bis zum Kriegsende tätig war, nicht halten zu lassen, da dann auch unausweichlich über dessen Wirken in Hannover berichtet werden müßte. Meine Empfehlung wurde von der verantwortlichen Kulturreferentin anfangs abgelehnt, im Kulturausschuß wurde sogar Oliver Grundmann auf seine Frage nach dem lokalen Bezug nur auf die Deportation einer Staderin, aber nicht auf die Tätigkeit des anderen Staders verwiesen.
Danach - also nachdem ich zweimal an die Verantwortlichen eine Empfehlung gegeben hatte - ließ der Bürgermeister und die CDU öffentlich verkünden, daß sie »mit der DIG nicht mehr gemeinsame Sache machen, solange Meves für sie spricht«.
Durch die Bemühungen des Bürgermeisters, der CDU und des Kulturamtes der Stadt Stade ist dann die Affäre - wie voraussehbar - ins Rollen gekommen. Ich hätte gerne auf das Wissen der mir bekannt gewordenen Fakten verzichten können. Jetzt aber bedauere ich als Stader, wie mit der Vergangenheit in meiner Stadt umgegangen wird. Nun aber muß alles genau dargelegt werden.

Dr. Peter Meves


Im obigen Artikel ist es dem Tageblatt in Person eines leitenden Redakteurs mal wieder gelungen, die Zusammenhänge souverän zu ignorieren, die Fakten zu verschweigen, dafür aber die Fragesteller zu denunzieren und fast schon einen Verschwörungshintergrumnd zu entdecken.
Zu denunzieren war auch die Absicht des Schreibers. Denn nicht diejenigen, die einen ganz gewöhnlichen deutschen Massenmörder gedeckt haben und ihm auch noch öffentliche Ehrung verschafften, werden kritisiert, obwohl sie von der Vergangenheit des so Geehrten wussten, sondern diejenigen, die diesen Skandal aufdeckten und Fragen dazu haben, machen »Klamauk«, wollen den ehrenwerten Bürgermeister »demontieren«, dem man doch eigentlich nur politische Lauterkeit bescheinigen kann, wenn er nichts dazu sagt.
Am Ende bleibt wirklich ein »fader Geschmack«, aber nicht wegen der Fragesteller und ihrer Gruppen, die diese Diskussion angeblich aufgeheizt haben, sondern wegen dieser Berichterstattung. Aber warum sollte Stade und sein Tageblatt auch eine Ausnahme machen in der Gleichgültigkeit gegenüber NS-Verbrechern. Weigert sich diese Gesellschaft doch noch immer, sich mit den Enstehungsbedingungen der BRD auseinanderzusetzen und die waren NS geprägt.
Das holt uns immer wieder ein auch mit dieser unsäglichen Stader Vertuschungsdebatte.

Manfred Fierek