Stadt Stade will keinen Eklat um SS-Mann
Israel-Wochen: Vortrag über NS-Schule aus Programm genommen /
DIG-Vorsitzender Meves soll Zündstoff geliefert haben
Ein Meinungsbeitrag von Sigrid Quäker
Die für Mai 2003 geplanten Israelischen Kulturwochen sollen durch keinen
Eklat verdüstert werden. Eine Vortragsveranstaltung, die dafür
wahrscheinlich Zündstoff geliefert hätte, wurde von der Stadt Stade
aus dem Programm genommen. Dass eine Vorwarnung von Dr. Peter Meves dafür
entscheidend war, wird offiziell nicht bestätigt.
Das kolportierte neueste Vorpreschen des Vorsitzenden der Stader
Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-israelischen Gesellschaft (DiG) hat aber
offenbar bei Bürgermeister Hans-Hermann Ott das Fass zum Überlaufen
gebracht: Er und mit ihm die CDU-Fraktion wollen nach Otts Worten mit der
Stader DiG nicht mehr gemeinsame Sache machen, solange Meves für sie
spricht.
Thema der abgesetzten Veranstaltung sollte die Israelische Gartenbauschule
Ahlem in Hannover sein. Hier wurden von 1893 bis 1942 Jugendliche als Handwerker,
in der Landwirtschaft und als Gärtner ausgebildet. Nach Schließung
aller jüdischen Schulen wurde die Gartenbauschule als Sammellager für
die Deportation von Juden und Christen jüdischer Herkunft nach
Theresienstadt und in die Vernichtungslager genutzt. Im Einsatz war hier
nach gesicherten Erkenntnissen auch ein noch lebender Stader SS-Mann. Er
wurde dafür 1947 zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, wovon er
dreieinhalb Jahre abgesessen hat.
Wie dem TAGEBLATT aus Insider-Kreisen zugetragen wurde, hat Meves,
angekündigt, während des Vortrages, den Historiker aus Hannover
halten sollten, den Namen des heute 94-jährigen Kaufmanns öffentlich
zu machen. Kulturdezernentin Dr. Andrea Hanke und der Initiator der
Vortragsveranstaltung, Stadtarchiv-Chef Dr. Jürgen Bohmbach wollten
dazu auf TAGEBLATT-Anfrage nicht Stellung nehmen.
Nicht aufgehoben sondern nur aufgeschoben sei die Veranstaltung, betont Bohmbach,
und gibt dafür eine weniger anstößige Begründung: Die
Möglichkeit nämlich, »dass die Bedeutung Ahlems als
Deportationsstelle ein Übergewicht gewonnen hätte, das mit der
Absicht der Kulturwochen, die zeitgenössische Kultur Israels zu
präsentieren, nicht in Einklang gestanden hätte«. Keinesfalls,
erklärt auch Hanke zu den in ganz Niedersachsen geplanten Kulturwochen,
solle es dabei um Vergangenheitsbewältigung gehen.
Den bei erster Vorstellung des Kulturwochenprojekts im September im
Kulturausschuss von Oliver Grundmann (CDU) angemahnten »örtlichen
Bezug« des Vortragsthemas stellte Bohmbach seinerzeit über eine
Stader Jüdin her: Sie sei über Ahlem nach Theresienstadt deportiert
worden. Nachforschungen Bohmbachs haben inzwischen ergeben, dass diese bisherige
Annahme unwahrscheinlich ist. Ohnehin aber sei die Vortragsidee nicht
örtlich begründet gewesen. Anlass sei vielmehr das verfallende
und von Abriss bedrohte Mädchenhaus in Ahlem gewesen, das als am Besten
erhaltenes Zeugnis der Gartenbauschule gilt.
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