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© VVN-BdA Stade
2003
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Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe
B
Gustav W., damals 33 Jahre, SS-Mann aus Stade, gehört zu den
Angehörigen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und Sicherheitspolizei
(Sipo), aus denen die »Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des
SD« gebildet werden. W. nimmt teil an einem zweimonatigen Lehrgang in
Weltanschauungskunde als Vorbereitung für den Einsatz beim Judenmord.
»Ende Mai (1941) rief Heydrich die 120 Führer der Einsatzgruppen
und Einsatzkommandos zusammen und ließ sie in der Grenzpolizeischule
Pretzsch an der Elbe bei Wittenberg den Vernichtungsfeldzug gegen den Rassenfeind
üben. Allmählich zog Heydrich die Schraube der weltanschaulichen
Indoktrination an: Instrukteure aus dem Reichssicherheitshauptamt trimmten,
von Mal zu Mal deutlicher und schärfer werdend, die Männer auf
den Rassenmord. Heydrich ließ Mitte Juni die 3000 Männer der
Einsatzgruppen nahe dem Städtchen Düben an der Mulde aufmarschieren.
In der Pose des Feldherrn stand der Chef der Sicherheitspolizei und des SD
vor seinem im Viereck angetretenen Todesbrigaden. Er holte zu einer markigen
Rede aus, die freilich vage blieb: er sprach von einem Einsatz, der
unerhörte Härte verlange.« Heinz Höhne, Der Orden
unter dem Totenkopf, Die Geschichte der SS, München 1984, S. 328f
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Mit den Massenerschießungen der Einsatzgruppen im Rücken der Front
gegen die Sowjetunion beginnt im Sommer 1941 die »Endlösung der
Judenfrage«. »Ein wanderndes Reichssicherheitshauptamt, eine Gestapo
auf Rädern« nannte das Nürnberger Militärgericht diese
Einheiten, die täglich in Blut wateten. »Diese
Schlächtereizüge (...), die für immer den deutschen Namen
besudelt haben«, kommentierte ein Beobachter den
Prozess
gegen sechs Führer des Einsatzkommando 9 (EK 9) der Einsatzgruppe B
vor dem Landgericht Berlin 1962, bei dem Gustav W. - 54 Jahre, »heute
wohlbestallter Kaufmann in Stade« - als einer von 111 Zeugen auftrat.
SS-Scharführer Gustav W. von der Gestapo ist eineinhalb Jahre dem etwa
120 Mann starken EK 9 zugeteilt, das zur Einsatzgruppe B gehört, die
vom Kripo-Chef Arthur Nebe geführt wird. Gustav W. arbeitet im
»Polizeireferat«, das die Exekutionen vorbereitet, die Opfer selektiert
und über die Bluttaten Buch führt. Die Bilanzen des Todes heißen
»Ereignismeldungen«.
11 449 Opfer werden von Juni bis Oktober 1941 vom EK 9 an das RSHA reportiert.
Das Urteil des Landgerichts Berlin von 1962 veranschlagt die juristisch sichere
Zahl auf 6800 Tote; in seiner mündlichen Begründung schätzte
der Vorsitzende Richter tatsächliche 15000.
Gustav W. wird bei wenigstens zwei Massakern an 200 Juden im weissrussischen
Witebsk im August 1941 als Schütze eingesetzt. »Jeder Angehörige
des Kommandos musste wenigstens einmal an einer Erschießung
teilnehmen«, erklärte der ehemalige Kommandeur Dr. Filbert als
Angeklagter.
»Die Opfer wurden jeweils zu viert an eine Grube geführt und
hineingestoßen. Wenn sie unten aufschlugen, eröffneten die Posten
des Einsatzkommandos 9 das Feuer aus Karabinern auf sie. Die
Kommandoführer, Greiffenberger und Filbert, standen mit gezogener Pistole
am Grubenrand, um Verletzten den "Fangschuss" zu geben. Das sei aber nicht
notwendig gewesen, weil die Schützen "eingeschossen" waren, wie
Greiffenberger sagte. Ohne die Leichen zu bedecken, seien dann die nächsten
Juden auf sie geworfen und erschossen worden.« Prozessbericht
1962
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In drei Wochen, die sich das EK 9 in Wilna, Witebsk und Wiljeka aufhielt,
sollen über 5000 Juden getötet worden sein. Gustav W., der nur
ausnahmsweise schoss, machte gewöhnlich Inventur. Der Kaufmann aus Stade
zählte und rechnete, legte Listen und fertigte Protokolle an.
Im Verfahren gegen die Kommandeure des EK 9 Schäfer und Wiebens wurde
1966 ein Zeuge gefragt, wie sie denn kleine Kinder liquidiert hätten.
»Na, wie die Katz.« Nach einer schweigenden Weile bat der Richter
um Erläuterung. »Na, sie wurden mit der einen Hand am Genick gepackt
und mit der anderen erschossen.«
Das Personal bei den Einsatzgruppen wechselte häufig. Auch der
geübteste Mörder wird nachlässig. Der Holocaust mit dem Karabiner
war kräftezehrend.
Laut »Ereignismeldung 92« der Einsatzgruppe A vom 29. September
1941 brachten in einer Aktion ein Führer und zwölf Mann 1025 Juden
um. Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm, Die Truppe des
Weltanschauungskrieges, Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des
SD 1938-1942, Stuttgart 1981, S. 16
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Gustav W. kam im November 1942 an die »ruhigere« Heimatfront des
Terrors. Zur Gestapo in
Hannover-Ahlem.
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