VVN-BdA
Stade
Zur Entwicklung des »Ostpreußenblattes«
von Samuel Salzborn und Alfred Schobert
aus DER RECHTE RAND, März 1999
|
In den vergangenen Monaten gab
es beim »Ostpreußenblatt« bemerkenswerte Entwicklungen, die
im folgenden eingehender dargestellt werden sollen. Es zeigt sich, daß
das Organ der »Landsmannschaft Ostpreußen« weite Teile der
rechten Themenpalette abgreift, so daß die Analyse der Zeitung für
eine Einschätzung des Rechtsradikalismus keineswegs unbedeutend sein
dürfte. Daß das Blatt bis dato verhältnismäßig
wenig Beachtung gefunden hat, dürfte auch damit zusammenhängen,
daß das Selbstverständnis der »Vertriebenen« unreflektiert
geschluckt wurde und wird.
Wir sind versucht, »Vertriebene« grundsätzlich in Anführungszeichen zu setzen, auch wenn dies Leserinnen und Leser vielleicht nervt. Der Philosoph Jaques Derrida hat diese stummen pragmatischen Zeichen spaßeshalber einmal mit Wäscheklammern verglichen. In der Tat wollen wir die Selbstbezeichnung und das Selbstverständnis der »Vertriebenen« auf die Leine hängen, aus- und bloßstellen, insbesondere bezüglich der »Bekenntnisgeneration« auch dem Spott preisgeben. Der sachlich überaus ernste Hintergrund: Am Ende des Zweiten Weltkrieges war der Begriff »Vertreibung« noch gänzlich unbekannt. Er findet sich weder im Potsdamer Abkommen, noch in früheren Dokumenten zum Thema. Seinerzeit sprach man etwa von Flüchtlingen oder Um- bzw. Übersiedlern. Seine offizielle Einführung erfuhr der Begriff »Vertreibung« erst 1949 durch die »ius sanguinis«-Definition des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts im Artikel 116 des Grundgesetzes der Bundesrepublik. Die endgültige Legitimation erfolgte schließlich durch die Installierung des »Bundesvertriebenengesetzes« (BVFG) im Jahr 1953. In dem dreibändigen Sammelband »Die Vertriebenen in Westdeutschland« von 1959 wird darauf hingewiesen, daß der »deutsche Rechtsterminus Vertriebener« als »fortlaufender Protest« gegen das angebliche »Unrecht« des Bevölkerungstransfers zu verstehen sei. Auch jemand, der tatsächlich seine Herkunftsregion verlassen mußte, ist nicht ein für allemal »Vertriebener«. Eine solche Selbstdefinition (»Ich bin Ostpreuße«) muß - wie jede individuelle »Identität« - permanent im praktischen sozialen Leben aufrechterhalten werden. Dies nicht nur im eigenen Selbstverständnis, sondern auch durch die Bestätigung durch andere, in der sozialen Anerkennung als »Vertriebener« - sowohl in juristischer Form als auch im alltäglichen gesellschaftlichen Verkehr. Dieser Prozeß gesellschaftlicher Konstruktion von »Vertriebenen«-Wirklichkeit funktioniert am effektivsten, wenn er unsichtbar vonstatten geht, vor allem durch die Naturalisierung des Sozialen. Solche naturalistische Auffassungen des Sozialen sind, das zeigt sich auch am Rassismus, tief im Alltagsverstand der Menschen verankert. Dergestalt werden sozusagen die Anführungszeichen, mit denen wir das Wort »Vertriebene« umgeben, unsichtbar gemacht und aus den individuellen und kollektiven Lebensgeschichten herausredigiert. Zentrale Koordinierungsfunktionen »Landsmannschaftliche« Organe wie das »Ostpreußenblatt« erfüllen zentrale Koordinierungsfunktionen, um das individuelle und gesellschaftliche Leben von Menschen als »Vertriebene« in Gang zu halten. Wie gesagt, die Selbstdefinition als »Ostpreuße« muß im praktischen sozialen Leben und in der Anerkennung durch andere stets aufs Neue stabilisiert werden. Einigermaßen aufgeklärte Menschen neigen dazu, sich über dabei hervortretende folkloristische Elemente lustig zu machen, doch man sollte gerade diese gesellschaftliche Praxis ernst nehmen - was gerade nicht heißt, ihren ideologischen Mechanismen aufzusitzen. Diskurstheoretische Ansätze liefern Konzepte, um diese Prozesse zu analysieren, nämlich die Begriffe ideologische Subjektion und Sociusbildung/Assoziation. Subjektion meint zweierlei: Subjektbildung und Unterwerfung. Das Subjekt »Vertriebener« bildet sich in der Einfügung ins Kollektiv von gleichgesinnten (politisch handelnden) Subjekten (dem Socius, der Assoziation), die sich gemeinschaftlich einer ideologischen Vorstellung (bspw. »Ostpreußen«, was längst nicht nur ein Territorium meint) unterstellen, die vom Verband und voran dem Vorsitzenden bzw. Sprecher verkörpert wird. Praktiziert wird dies in der Brauchtumspflege (von Trachten bis zu regionalspezifischen kulinarischen Köstlichkeiten - oder was dafür gehalten wird) bei den Veranstaltungen der »Heimatkreisgemeinschaften«; im Idealfall ließe sich ein Großteil des täglichen Lebens »ostpreußisch« gestalten. Bei den Älteren wird dies gestützt durch nostalgische Erinnerung an die verronnene und unwiderbringliche Kindheit und Jugend in der Herkunftsregion: eine nicht zu unterschätzende emotionale Energie. Beim Nachwuchs hingegen muß eine Ersatzdroge her. Fahrten, wie sie die »Junge Landsmannschaft Ostpreußen« (JLO) veranstaltet, müssen erst die erinnerungswürdigen Erlebnisse schaffen, die dann eine emotionale Bindung an »Ostpreußen« stiften: Man erinnert sich an den Abend am Lagerfeuer, den gemeinsamen Gesang und nicht zuletzt an gemeinsame (männlich-monumentale) »Abenteuer«. Thematischer Kampf Thematisch geht das »Ostpreußenblatt« (OB) indes weit über die »Vertriebenen«-Thematik hinaus und gestaltet den politischen Auftrag »Preußentum« als rechtsradikale Kampfschrift, die durchaus mit allgemeinpolitisch orientierten Blättern der rechten Szene wie der »Jungen Freiheit« (JF) konkurrieren kann. Wobei das OB dabei den strategischen Vorteil der »landsmannschaftlich« organisierten Bindung zahlreicher Leser hat. Im »Ostpreußenblatt« schreiben regelmäßig die Promis der mit »Neue Rechte« nur inexakt und mit »Neuer Konservatismus« (Barbara Junge u.a.) gefährlich verharmlosten Klüngel und Zirkel zwischen (radikalisiertem) Konservatismus, rabiat werdendem Nationalliberalismus und intellektuellem Rechtsextremismus. »Preußen« und »Preußentum« stehen bekanntlich nicht zufällig für deutschen Militarismus. So wundert es nicht, daß sich das OB immer wieder in äußerster Schärfe für die Ehre der Wehrmacht ins Zeug legt, oft übrigens synchron mit gleichgerichteten Attacken im »Focus« oder der »Jungen Freiheit«. Nur ein aktuelles Beispiel: Reinhard Uhle-Wettler besorgt dies mit einem rabiaten Rundumschlag, dessen antisemitische Konnotationen nicht zu übersehen sind. Er pflegt das - insbesondere bei »Ostpreußen« verbreitete - Feindbild Ilja Ehrenburg und wettert gegen das »US-amerikanische Umerziehungsprogramm für die besiegten Deutschen, das ab 1943 wissenschaftlich« vorbereitet worden sei. In einer durchsichtigen Anspielung auf Daniel Goldhagens Titel »Hitlers willige Vollstrecker« rückt er die (jüdischen) Soziologen und Philosophen der Frankfurter Schule an die Stelle Hitlers, wenn er die »Vergiftung der 68er Revoluzzer« beklagt und die 68er als »allzu willige Vollstrecker der Thesen des Sozialwissenschaftlichen Instituts Frankfurt« bezeichnet. Auch bei Kulturthemen versucht das OB, sich auf der Höhe der Zeit (in dem Fall also des Feuilletons der FAZ) zu halten. Stefan Gellner präsentiert verzückt den Feuilleton-Nationalismus eines Botho Strauß und schenkt auch den nationalen Ergüssen eines Martin Walser ausführlich seine Sympathie. Walsers skandalöse Friedenspreisrede wurde von Hans Heckel ausführlich gewürdigt, der sich zum im Impressum angeführten Freien Mitarbeiter des OB wohl auch dadurch qualifiziert, daß er im BdV-Regionalorgan »Deutsche Umschau« meinte: »Am 'Reich' kommen die selbsternannten Bundesrepublikaner ebensowenig vorbei, wie sie an Deutschland vorbei konnten. Die beiden Begriffe sind auf Dauer nicht zu trennen.« Übrigens publizierte das »Ostpreußenblatt« zum 3. Oktober (wie treffend!) Heiner Kappels »Offenen Brief an Ignatz Bubis«, in dem er Walsers »Instrumentalisierungs«-Schelte und Mahnmal-Kritik vorwegnahm. Selbst der vom Theoretiker und Praktiker des »bewaffneten Kampfes« zum shooting star der äußersten Rechten gewandelte Ex-Maoist und RAF'ler Horst Mahler publiziert mittlerweile im OB. Vorbereitet durch eine rassistische »Reportage« des vom nationalen Kommunisten zum Nationalliberalen mutierten Klaus-Rainer Röhl über Berlin-Kreuzberg als »Kriegsschauplatz« erschien seit Mitte Februar 1999 im »Ostpreußenblatt« Mahlers »Flugschrift an die Deutschen« als Serie. Mahler, dessen mit antisemitischen Invektiven gespickter »Offener Brief an Ignatz Bubis« sowohl in der »Jungen Freiheit« als auch im NPD-Organ »Deutsche Stimme« erschien, verknüpft in diesem kruden Manifest bekannte Propaganda gegen »Umerziehung« (im Stil des zitierten Uhle-Wettler) mit aggessivem Rassismus. Politische Präferenzen Zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr hatte das »Ostpreußenblatt« ein »Forum der Parteien« eingerichtet. »Sieben demokratische Parteien«, so daß OB, seien im August aufgefordert worden, zehn gleichlautende Fragen zu beantworten. Die »demokratischen Parteien« waren CSU, SPD, REP, BFB, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Letztere blieben dem OB ihre Antworten schuldig, die PDS wurde konsequenterweise nicht zum Spektrum der Demokraten gezählt. Durch die Einbeziehung der heutigen Regierungsparteien in die Umfrage deutete sich bereits vor der Bundestagswahl eine gewisse Ambivalenz des »Ostpreußenblattes« in Bezug auf parteipolitische Präferenzen an. So kommentierte LO-Sprecher Wilhelm von Gottberg, selbst CDU-Politiker, nach der Wahl: »Entgegen den Äußerungen vieler Berufener und Unberufener kam die Abwahl der bisher Regierenden nicht überraschend. [...] Trotz allen Schönredens war die Bilanz der bisherigen Regierung in den letzten beiden Legislaturperioden mäßig.« Andererseits stellte von Gottberg aber auch fest, daß der »demokratischen Rechten« in einem »parteiübergreifenden Bündnis aller etablierten Altparteien sowie der Massenmedien« der Einzug in den Bundestag »verwehrt« worden sei. Dies werde auch künftig so bleiben, wenn es nicht zu »sinnvollen Verbindungen im rechten politischen Spektrum« kommen werde. So wird unbeabsichtigt die Aussage des neofaschistischen Strategieblattes »Nation & Europa« von 1994 in zweifacher Hinsicht wahr: »Unter Wilhelm von Gottberg scheint sich die früher unionsfixierte Landsmannschaft Ostpreußen aus der parteipolitischen Umklammerung zu befreien und neue Verbündete zu suchen«. Seinerzeit auf eine Einladung von Hans-Günter Schodruch zum »Deutschlandtreffen« der LO gemünzt, zeigt sich die Offenheit der LO und des OB nicht nur gegenüber extrem rechten Positionen, sondern auch gegenüber den Sozialdemokraten. Zu den beiden neuen Parlamentarischen Staatssekretären im Bundesinnenministerium, Fritz Rudolf Körper und Cornelie Sonntag-Wolgast, hat die LO bereits seit langem Kontakt. Sonntag-Wolgast äußerte jüngst anläßlich des 40. Verbandsjubiläums des »Bundes der Vertriebenen«, daß der neuen Bundesregierung »sehr« an einer »guten und sachlichen Zusammenarbeit« mit den »Vertriebenen« läge. Körpers Wiedereinzug in den Bundestag erfreute kurz nach der Wahl das BdV-Organ »Deutscher Ostdienst«, sei der Theologe Körper doch bekannt für sein Engagement »in Vertriebenenfragen«. Es wundert wenig, daß die sozialdemokratische Parteiführung auf die Frage des »Ostpreußenblattes«, welche »Zukunftsperspektiven« sie für das »nördliche Ostpreußen« sehe, seinerzeit antwortete: »Europa wird zusammenwachsen. Die Grenzen zwischen den Staaten und Völkern werden auf lange Sicht immer mehr an Bedeutung verlieren. Mit der europäischen Integration verbunden ist die Angleichung der Lebensverhältnisse auf dem ganzen Kontinent. Insofern hat das nördliche Ostpreußen gute Zukunftsaussichten«. Andererseits bleibt aber auch das Verhältnis zu den Unionsparteien auf solider Basis gewahrt. Mit der Bayrischen Staatsregierung würden, so von Gottberg Ende letzten Jahres, in politischen Fragen punktuell sogar »identische Auffassungen« bestehen. Dem Freistaat Bayern obliegt die Patenschaft über die »Landsmannschaft Ostpreußen«. Kern dieser graduellen Ambivalenz der »Ostpreußen« in parteipolitischen Orientierungsfragen dürfte die Frage: Cui bono? (Wem nutzt es?) sein. Sofern mit einer Partei eine partielle Kooperation in »Vertriebenenfragen« möglich scheint, wird diese zu nutzen gesucht. Vergleichbar mit der ambivalenten Haltung zu Parteien ist auch die Wahrnehmung der »vertriebeneninternen« Rolle. Der »Witikobund« beispielsweise nimmt immer stärker eine verbindliche Fixierung seiner Politkonzepte vor. Er verschließt sich damit vor personalpolitischen Änderungen in Regierung (Wechsel zu Rot-Grün) oder dem BdV (Neuwahl des Präsidiums im vergangenen Jahr). Ferner wird durch eine solche Fixierung auch die Möglichkeit genommen, auf taktische oder strategische Paradigmenwechsel in der theoretischen Diskussion reagieren zu können. Die LO hingegen, neben der »Sudetendeutschen Landsmannschaft« (SL) der größte und vor allem einflußreichste Verband unter den »Landsmannschaften« des BdV, öffnet ihre theoretische Diskussion wie ihre praktischen Interventionen zusehens hin zu veränderten Modellen. Dabei nimmt die Relevanz von großdeutsch gedachten Modellen zugunsten von völkisch-partikularistischen Konzepten zusehens ab. Dies führt - vereinfacht ausgedrückt - dazu, daß beispielsweise die EU-Osterweiterung mit den zu garantierenden Rechten wie »Freizügigkeit« und »Niederlassungsfreiheit« Möglichkeiten der konkreten Politik in Polen realisierbar macht, während andernorts noch über eine zu fordernde staatsrechtlich-großdeutsche Eingliederung diskutiert wird. Bleiben die großdeutschen Konzepte dabei zwangsläufig auf der Strecke, gewinnen völkische oder regionalistische schon in kleinen Schritten den »Raum«, den das »Volk der Ostpreußen« erstrebt. Wandlung und Verwandlung Nach dem Wechsel auf dem OB-Chefredakteurssessel Mitte 1997 von Horst Stein zu Elimar Schubbe begann eine neue Ära »Ostpreußenblatt«. Schubbe arbeitete von 1970 bis 1978 als Ressortleiter bei der konservativ-klerikalen Wochenzeitung »Rheinischer Merkur«. Von 1978 bis 1983 war er als Chefredakteur des »Deutschland-Magazins« tätig, anschließend als Medienreferent beim »Deutschen Bauernverband«. Er ist in der »Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung« (OMV) der CDU/CSU und in der »Christlichen Gewerkschaft Medien« aktiv. Stein, der seit April 1995 den OB-Chefredakteursposten innehatte, stand für eine gewisse Marginalisierung der Zeitungslinie - ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hugo Wellems. Die knallhart aggressiv-revanchistische Linie von Wellems wurde von Stein aufgeweicht; die Berichte über Erinnerungs- und Erlebnisliteratur gewannen wieder mehr Gewicht und der politische Teil erlangte nie wirklich allgemeinpolitischen Anspruch. Diese Wende wurde unter Schubbe nicht nur rückgängig gemacht, sondern fand auch eine Weiterentwicklung des veralteten Modells der direkten und unmittelbaren Gebietsrevision. Unter Schubbe konkretisiert sich insofern eine »Modernisierung« des »Ostpreußenblattes«, als die politische Berichterstattung - wie gezeigt - allgemeinpolitische Themen aufgreift und im Sinne der »Vertriebenen« völkisch interpretiert oder gar gesellschaftliche Debatten mitinitiiert. Außerdem verfügt das OB seit Juni 1997 über ein Feuilleton mit überregionalem Anspruch. Die Bedeutung der »Heimatkreisgemeinschaften« entfällt damit nicht, sie wird relativiert: Deren Bedeutung war immer auf zwei Ebenen zu sehen - erstens in der Sicherung der Basis der »Vertriebenenverbände« und zweitens seit 1989/90 in der konkreten Operation als Keimzellen der erstrebten Germanisierung im Ausland. Da die Massenbasis der »Vertriebenenverbände« zusehens, wenn auch äußerst langsam, aus biologischen Gründen schwindet und die Rekrutierung von Nachwuchs, beispielsweise aus studentischen Verbindungen oder vergleichbaren rechten Organisationen, nur relativ geringen Erfolg mit sich bringt, mußte die Organisations- wie Zeitungslinie allgemeinpolitischen Ansprüchen angepaßt werden. Parallel dazu erfolgt auf Verbandsebene die Bereitstellung von »Führungsnachwuchs« (so Wilhelm von Gottberg) in Form der JLO, der sich in Zukunft um die politische Linie und theoretische Entwicklung der LO kümmern und zudem das Gros an Funktionären stellen soll. Diese »Vertriebenen« der »Bekenntnisgeneration« schlüpfen so in die Führungsrolle in der Bundesrepublik und übernehmen gleichzeitig die Aufgabe, eine »deutsche Volksgruppe« in beispielsweise Polen oder Rußland theoretisch zu konstruieren und praktisch neu zu konstituieren. Im Zuge dieses Wandlungsprozesses nimmt die strukturelle Bedeutung der »Heimatkreisgemeinschaften« ab und die einzelnen Teile des »Ostpreußenblattes« erscheinen weniger miteinander verknüpft als noch vor einigen Jahren: der »Heimatteil« bleibt erhalten, wird aber durch einen sehr eigenständigen umfangreichen Politik- und Kulturteil ergänzt. Einen nicht unwichtigen Teil der Umwandlung der Zeitungslinie unter Berücksichtigung der normativen Zwänge der gesellschaftlichen und politischen Realität nimmt dabei auch die Herausgabe der »Preußische Zeitung - Unabhängige Zeitung für Deutschland« ein. Im Mai 1998 erschien diese zum ersten Mal als Beilage zum OB, herausgegeben von der LO; die zweite Folge der »Preußischen Zeitung« war auf den 3. Oktober 1998 datiert. Mit der »Preußischen Zeitung« dürfte von der LO eine Doppelstrategie verfolgt werden. Zunächst wurde der Titel der Zeitung gegenüber vermeintlichen Mitinteressenten geschützt. Darüberhinaus öffnet die LO aber auch den Weg für ein Printmedium, das von Titel und Konzept weniger an »reine« »Vertriebeneninhalte« gekoppelt wäre, als dies noch - zumindest formal - beim »Ostpreußenblatt« der Fall ist. Die inhaltliche Veränderung der Zeitungslinie des OB könnte so auf eine neue formale Basis gestellt werden, die noch weiter über das »Vertriebenenspektrum« hinausgehen würde, als dies bereits jetzt vom OB erfüllt wird. In den beiden ersten Ausgaben kam die »Preußische Zeitung« folgerichtig auch mit historischen, politischen und kulturellen Beiträgen daher und ohne den »Heimatteil« im strenggenommenen Sinne, die »Erlebnisliteratur« und die Reiseberichte. Ein historisches Vorbild für die »Preußische Zeitung« gibt es auch. Von 1931 bis 1945 erschien unter diesem Titel das Nachfolgeblatt des »Ostdeutschen Beobachters« im damaligen »Königsberg«.
|