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Einzige Grundlage für die offizielle Darstellung von den Ereignissen am Kriegsende in Buxtehude (kampflose Übergabe unter Lebensgefahr usw.) sind drei Zeitzeugenberichte:

  • ein Brief des vermeintlichen damaligen Kommandeurs Alexander Magnus an den Buxtehuder Stadtdirektor vom 11. Oktober 1953

  • ein nicht datiertes Schreiben des ehemaligen Bürgermeisters Wilhelm Klein (vermutlich ebenfalls 1953 verfasst)

  • ein Brief des Pastors Karl Halaski an die Stadt Buxtehude aus dem Jahr 1988.

Ein klares Bild der Geschehnise ergibt sich aus diesen Erzählungen nicht. Wir dokumentieren die wesentlichen Passagen:

Wer hatte das militärische Kommando?

Magnus:
In den Kasernenanlagen von Buxtehude war die Dienststelle des 2. Admirals der Nordseestation untergebracht. Sie war von Wilhelmshaven, wo durch Fliegerangriffe gleich zu Anfang des Krieges schwere Gebäudeschäden verursacht worden waren, nach Buxtehude verlagert. (...) Ich selbst war Ende Januar 1945 als Chef des Stabes dieser Dienststelle, gleichzeitig als Standortältester des Marine-Standorts Buxtehude kommandiert worden.

Halaski:
Als neuer Chef des Stabes kam Kapitän zur See Magnus zu uns. Für diesen war das Kommando eine Art Strafversetzung, weil er sich als Festungskommandant von Stettin »nicht bewährt« hatte. Magnus ließ mich bald zu sich kommen, sprach sehr offen über die ausweglose Situation und erklärte mir, daß er mich als seinen Adjutanten betrachte. Wir hatten mit ihm einen neuen, zuverlässigen Bundesgenossen gewonnen.

Magnus:
Mit dem Vorrücken des Feindes von Ost und West wurde versucht, und zwar von höchster Stelle, derartige Behörden zwecks Einsparung von Personal zusammenzulegen. So wurde im Anfang April 1945, also etwa 4 Wochen vor dem endgültigen Zusammenbruch, die Dienststelle des 2. Admirals der Nordsee in Buxtehude aufgelöst, mit der Dienststelle des 2. Admirals der Ostsee vereint und nach Schleswig verlegt. Wesentliche Teile des Fachpersonals kamen von Buxtehude nach Schleswig. In Buxtehude blieb ich als Standortältester und Gerichtsherr des Marine-Kriegsgerichts Buxtehude.

Halaski:
Die zweite Veränderung hing damit zusammen, daß das Oberkommando der Kriegsmarine von Berlin nach Schleswig verlegt wurde. Hier im äußersten Norden Deutschlands sollte die letzte Führungsstelle konzentriert werden. Die Hälfte unseres Personals, also etwa 1000 Mann und 1000 Marinehelferinnen wurden von Buxtehude nach Schleswig verlegt. Die militärische Kraft des verbleibenden Restes, soweit sie überhaupt bestanden hatte, wurde dadurch entscheidend geschwächt. Als nach der erfolglosen Ardennenoffensive die Alliierten auch im Westen Deutschland schrittweise besetzen konnten, wurde uns mitgeteilt, daß unser Gebiet zum Bereich des Festungskommandanten von Hamburg gehöre. Admiral Engel erklärte demgegenüber, daß er sich militärisch für Buxtehude verantwortlich wisse, konnte aber nicht verhindern, daß von da ab mehrfach bei uns Gruppen der Feldgendarmerie und der SS kontrollierten.

Magnus:
Als nunmehr alleinverantwortlicher Standortältester der freundlichen und bisher von den Schrecken des Krieges völlig verschonten Stadt, habe ich, nach Auflösung meiner bis dahin vorgesetzten Dienststelle des 2. Admirals der Nordsee, sofort beschlossen, den aussichtslosen Kampf mit lächerlichen Mitteln (Büropersonal, italienische Gewehre mit je 25 Schuß Munition) gegen anstürmende britische Panzerarmeen unter allen Umständen zu verhindern.

Die verhinderte Sprengung der Brücken

Klein:
Der Feind näherte sich. Eines Tages waren etwa 10 km vor der Stadt die ersten Panzer des Feindes aufgetaucht und zwei sogar zerschossen worden. Dann kamen pfeifend leichte Artilleriegeschosse von den hohen Geest herübergeflogen und schlugen in der Umgebung des Rathauses, das wohl ihr Ziel sein sollte, ein.

Magnus:
Die eigenartigen militärischen Verhältnisse in den letzten Wochen des Krieges erhellen besonders deutlich aus folgendem Geschehen: Der damalige Bürgermeister der Stadt, General-Arbeitsführer Wilhelm Klein erschien bei mir und berichtete, daß in der Stadt große Aufregung durch das Erscheinen mehrerer Sprengkommandos hervorgerufen sei. Die Sprengkommandos hätten den Auftrag, sämtliche Brücken über die Este ohne besonderen weiteren Befehl nach eigenem Ermessen zu sprengen. Nur durch diese Mitteilung des Bürgermeisters wurde ich in die Lage versetzt, die erste sinnlose Zerstörung in der Stadt zu verhindern, und die Sprengkommandos unter Mitteilung an den Absender derselben, den General in Hamburg zurückzurufen.

Halaski:
Das ganze Gebiet sollte in Verteidigungszustand versetzt werden. Dazu gehörte zunächst, daß Brücken und Straßen zur Sprengung durch Minen von einem aus Hamburg kommenden Kommando präpariert werden sollten. Bei uns bestand Einverständnis über zweierlei: 1.) weder gesprengte Brücken noch Straßen würden den Vormarsch der Alliierten aufhalten. 2.) aber könnte diese Maßnahme der Zivilbevölkerung nicht verborgen bleiben, müßte sie verunsichern und vermehrte die Gefahr, daß viel zu früh lebensnotwendige Verkehrswege lahmgelegt würden. In den Verhandlungen mit den Verantwortlichen für dies Kommando wurde erreicht, daß lediglich ungeschärfte Minen verlegt wurden, während der Befehl lautete, diese sogleich explosionsfähig zu machen. Als am Tage nach der Verlegung bekannt wurde, daß Unbekannte diese Minen an den Brücken ins Wasser geworfen hatten, gab es dafür ein aufatmendes Gelächter.

Klein:
Ich verständigte mich mit dem Führer der Marineeinheit, die noch in den Kasernen in Altkloster lag, und wir beschlossen, die Sprengungen mit all unsern Kräften zu verhindern. Während ich den Führer des Sprengkommandos hinhielt, verhandelte der Kpt. z. S. M. (Magnus) mit der Kommandostelle in Hamburg, die ihm schließlich die Verantwortung und den Befehl für die Sprengungen überließ.

Der Anmarsch der Briten

Halaski:
Admiral Engel hatte dem Festungskommandanten (in Hamburg) zugesagt, daß in Buxtehude alles bereits getan sei, den ganzen Ort in Verteidigungszustand zu versetzen. Unser Plan sah so aus: In Richtung auf den zu erwartenden Angriff sollten Schützengräben ausgehoben werden, an den Straßen Männer mit den bei uns verfügbaren Panzerfäusten Stellung beziehen. Der Befehl über etwa notwendig werdende Operationen wurde einem Hauptmann des Heeres mit Fronterfahrung übertragen, Hans Haverkamp. Mit ihm, der unsere Pläne kannte, wurde vereinbart, daß zwar jeder Soldat, falls er persönlich angegriffen würde, von seiner Waffe Gebrauch machen konnte, daß aber in den einzelnen Abschnitten ein allgemeiner Feuerbefehl nur von ihm, nicht aber von den Abschnittskommandanten gegeben werden dürfte. Die Marinehelferinnen sollten in ihren Unterkünften bleiben. Der Admiral behielt sich vor, den Termin für eine voraussehbare Kapitulation selbst zu bestimmen.

Klein:
Am Nachmittag des 18. April erfolgte ein Tieffliegerbombenangriff auf den Bahnhof und seine Umgebung. Sechs Menschenleben gingen verloren. (...) Am nächsten Morgen wurde beschlossen, dem Feind die kampflose Übergabe der Stadt anzutragen.

Halaski:
Daß die Front näherrückte, bemerkten wir daran, daß wir bereits näherkommendes Geschützfeuer hörten. Jetzt wurde es Zeit, unseren Verteidigungsplan auszuführen. Unsere Männer wurden in die Schützengräben eingewiesen, den Offizieren und Unteroffizieren noch einmal eingeprägt, daß lediglich bei direktem Angriff wiedergeschossen werden dürfe, daß aber ein allgemeiner Schießbefehl von Haverkamp, unserem Festungskommandanten erteilt werden würde. Haverkamp hatte sich in einem höher gelegenen Waldstück einen Befehlsstand ausbauen lassen, von dem er das Gelände weithin übersehen konnte. Er ist dort geblieben, bis die Engländer unserem Kriegsspiel ein Ende bereiteten. Mich beauftragte er, an die einzelnen Frontabschnitte zu gehen, um nach dem Zustand zu sehen, in dem sich die Truppe befände. Als ich bei einen diese Gänge am 20. April morgens an einen Schützengraben kam, meinte einer der Matrosen: »Haben Sie das Geläut zu Hitlers Geburtstag heute früh gehört?« Allgemeines Gelächter, denn am Morgen hatten lediglich die feindlichen Geschütze gedonnert.

Magnus:
Der bisherige 2. Admiral der Nordsee, Kontre-Admiral Engel besuchte mich nach Auflösung seiner Dienststelle fast täglich. Natürlich besprachen wir die aussichtslose militärische Lage gelegentlich dieser Besuche, und als der Feind am 21. und 22. April Granaten in die wehrlose Stadt schoß, teilte ich meinem ehemaligen Vorgesetzten meinen Entschluß mit, unter keinen Umständen einen aussichtslosen Kampf zu kämpfen, der mit Sicherheit Menschenopfer gefordert und zu schweren Schäden in der Stadt geführt hätte. Admiral Engel war auf meine Bitte sofort bereit, an der Hand seiner englischen Kenntnisse und seiner längeren Bekanntschaft mit dem gesamten Standort die entsprechenden Verhandlungen zu führen.

Die Übergabe

Halaski:
Gegen Abend wurden einige Kanonenschüsse auf uns und Buxtehude abgegeben. Bei uns richteten sie keinen Schaden an, in der Stadt soll eine Granate ein Dach zerschlagen haben, wie uns berichtet wurde, ohne daß weiterer Schaden entstanden sei. Da nach einigen Schüssen völlige Stille eintrat, begab ich mich in die Kaserne, um den Admiral anzurufen, der sich in seiner Wohnbaracke bei seiner Familie befand. Wir wollten bereits jetzt nach dieser kleinen Kanonade übergeben, da wir weitere Bedrohungen für die Stadt und uns vermeiden wollten. Ich bekam aber von Admiral Engel eine klare Absage. Er war der Meinung und darin kannte er die Engländer besser als wir, es würde jetzt bis zum nächsten Morgen Ruhe eintreten, da die Engländer bisher auf keine Gegenwehr gestoßen seien. Verständlich war mir durchaus, daß Engel aus mehreren Gründen das Ende soweit wie möglich hinausschieben wollte. Einmal mußte er damit rechnen, daß der Festungskommandant Hamburg doch noch eingriff. (...) Es gab in der Tat eine ruhige Nacht, in der ich noch einmal in meinem Bett schlafen konnte. Als aber am frühen Morgen wieder vereinzelt Maschinengewehrfeuer zu hören war, erklärte sich auf meinen Anruf Engel einverstanden. Er wollte jedoch vorher in die Kaserne kommen und mit Haverkamp und mir, die wir als Parlamentäre hinüberfahren sollten, die Lage besprechen. Mit dem Dienstwagen des Admirals fuhren wir beide also los, ich hielt eine weiße Flagge, die uns der Fahrer des Befehlshabers gebastelt hatte, aus dem Fenster. Als wir die letzten Häuser von Buxtehude passierten, wurden wir von den Bewohnern eines Hauses bedroht, doch nicht an der Weiterfahrt behindert. Die Begegnung mit dem britischen Divisionär erfolgte auf der Straße. (...) In dem folgenden Gespräch, das im wesentlichen von unserer Seite hauptsächlich von Haverkamp, er war Studienrat für Englisch, geführt wurde, boten wir die Kapitulation an, da wir in keiner Weise uns gegen einen Angriff verteidigen könnten und baten um menschliche Behandlung für die Bevölkerung der Stadt und der Marinehelferinnen.

Magnus:
Als am 22. April 1945 die ersten englischen Panzer über die Höhe der Geesthügel auf der Straße von Moisburg in Sicht kamen, wurde ein englisch sprechender Offizier mit weißer Fahne entgegengeschickt. Er hatte Auftrag, den Engländern meinen Entschluß, nicht zu kämpfen, mitzuteilen und außerdem einen entsprechenden persönlichen Brief des Admirals Engel zu überbringen. Dann vollzog sich alles sehr schnell. In kürzester Zeit waren englische Panzer und Mannschaftswagen in großer Zahl auf dem Kasernenhof, nahmen Besitz von der Stadt und führten sämtliche Militärpersonen in die Gefangenschaft ab.

Klein:
Am 22. (April) frühmorgens sollten die Opfer des Bombenangriffs (vom 18. April) bestattet werden. (...) Als ich auf dem Wege nach Hause war, holten mich zwei Polizisten ein und brachten mir die Aufforderung des Kommandörs der Marineestation, für die Übergabe der Stadt mich schnellstens bei der Station einzufinden. Ich ging sofort dorthin. Zusammen mit dem Admiral E. (Engel) und dem Kpt. z. S. M. (Magnus) erwartete ich die Feindtruppe. Zwei Panzer standen bereits am Eingang des Kasernengeländes.


Literatur: keine


Die Einweihung des »Gedenksteins« - Presseveröffentlichungen