VVN-BdA
Stade
Erinnerung an Rudolf
Welskopf
das (fast) vergessene Haupt des
einzigen organisierten Widerstands
gegen die Nazis in der Region Stade/Buxtehude
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Als die Straßen der aufgelösten Kaserne von Stade mit den Namen von NS-Gegnern versehen wurden, tat man sich schwer, Persönlichkeiten aus der Nachbarschaft zu finden. Neben einer der hingerichteten Sophie Scholl gewidmeten Straße findet sich der Paul-Kannapke-Weg. Der Jurist erlitt lediglich einen Karriereknick, als er sich der Gleichschaltung der Beamtenbundes widersetzte; als Staatsanwalt war er für die Todesstrafe eingetreten. An Rudolf Welskopf wurde nicht gedacht. Obwohl er verantwortlich war für den einzigen organisierten Widerstand gegen die Nazis in der Region. Die von Welskopf geleitete Untergrund-Zelle der KPD in Buxtehude wurde früh zerschlagen. Ein Kurier war verhaftet worden und hatte unter der Gestapo-Folter seine Mitverschwörer verraten. In einem nichtöffentlichen Prozess, den das Berliner Kammergericht in Stade abhielt, wurden im März 1935 ein Dutzend Genossen verurteilt. »Das Gericht hat nicht zu sühnen, sondern auch auszumerzen«, plädierte der Staatsanwalt. Der damals 32-jährige Welskopf bekannte sich als Rädelsführer und bekam fünf Jahre Zuchthaus. Welskopfs Weg bis 1945 ist nachzulesen in einem Roman. Jan und Jutta wurde 1954 von seiner Frau Liselotte Welskopf-Henrich veröffentlicht. Sie war eine der erfolgreichsten Jugendbuchautorinnen der DDR. Ihre dokumentarischen Indianerromane (Die Söhne der Großen Bärin) sind bis heute Bestseller. Welskopf war ein ungewöhnlicher Mann. Ein »Dollbrägen«, was im Niederdeutschen soviel wie Querkopf bedeutet. Er war ebenso eigensinnig wie geradlinig, ein aufrechter und unbeugsamer Charakter, der vier Jahre Konzentrationslager überlebte. »Mittelgroß, kräftig, mit einem Gesicht, das mich in seiner Besonnenheit und Ruhe immer an einen Indianerhäuptling erinnerte«, schrieb der Mithäftling Hans Grundig über ihn. »Mit seinen schmalen, dunklen Augen, mit den gerade darüber gespannten, fest zusammenstoßenden Augenbrauen glich er einem Inka, dessen Wort viel im Stamme gilt.« Rudolf Welskopf wurde am 26. August 1902 in Jork-Borstel in ärmlichen Verhältnissen geboren. Mit zehn Jahren hatte er sich als Hütejunge verdingen müssen, weil seine Eltern Not hatten, ihn und seine Geschwister zu ernähren. Mehr noch als materielle Entbehrungen prägte Lieblosigkeit seine Kindheit. Nachdem er eine Lehre als Zimmermann begonnen hatte, brach er jeden Kontakt zur Familie ab. Die Eltern schämten sich später für ihren »aufrührerischen« Sohn. In traditioneller Kluft aus schwarzem Kord und Kalabreserhut absolvierte Welskopf seine »Tippeljahre«, die ihn zwischen 1921 und 1924 nach Hannover, Bremen und Berlin führten. Die Erlebnisse auf der Wanderschaft formten sein politisches Bewusstsein. Im Heideort Scheeßel klagte er erfolgreich gegen die Missachtung des Tariflohns. Doch die Meister scherten sich nicht um den Schiedsspruch, und die Gesellen wollten nicht streiken. Zurückgekehrt arbeitete er für Baufirmen in Harburg. Er heiratete das Hausmädchen Alma, trat in die SPD ein, wurde zweifacher Vater und baute 1929 in Buxtehude ein Haus. Das zweistöckige Klinkergebäude ist erhalten. »Rugen End«, rauhes Ende, wurde das Viertel damals genannt und galt als »rot«, weil SPD- und KPD-Mitglieder hier wohnten. Schon vor Hitlers Machtübernahme war Buxtehude den Nazis ein Dorn im Auge. Mehrmals kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den »Rothäuten« und der SA, zu einer Saalschlacht, zu Prügeleien und Messerstechereien. Weil sie ihm im Widerstand gegen die Nazis zu lasch war, trat Welskopf 1930 aus der SPD aus und der KPD bei. Die Wirtschaftskrise machte ihn arbeitslos, und er blieb die Pacht für sein Grundstück schuldig. Bei einer Zwangsversteigerung erwarb die Stadt 1932 das Haus. Schließlich konnte Welskopf auch die Miete nicht mehr zahlen und musste mit seiner Familie bei Verwandten einziehen. Unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme wurde der stadtbekannte Kommunist Welskopf zwei Monate im Gerichtsgefängnis Stade in »Schutzhaft« genommen. Seinen Eifer beim Drucken und Verteilen von Flugblättern bremste das nicht. Im August 1934 wurde er erneut verhaftet. Die folgenden zehn Jahre verbrachte er in Gefängnissen, Zuchthäusern und KZs. Nach seiner Verurteilung im »Buxtehuder Hochverräterprozess« kam er zunächst ins Zuchthaus Celle. Dann wurde der kräftige Gefangene einem Arbeitskommando im Moor bei Zeven zugeteilt. Von dort gelang ihm mit zwei anderen Häftlingen im August 1936 die Flucht. Sie erreichten Buxtehude und suchten Unterschlupf bei einem Genossen. Der aber verriet sie an die Polizei. Wegen Meuterei erhielt Welskopf zehn Monate Haft zusätzlich. 1940 hatte er seine Zeit abgesessen. Seine Frau hatte sich mittlerweile von ihm abgewandt, denn an eine Entlassung war nicht zu denken. Der »Volksschädling« Welskopf wurde ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingewiesen. Ab 1943 war der geschickte Handwerker bei einem Arbeitskommando in Berlin-Lichterfelde, unmittelbar neben der Kaserne der »Leibstandarte Adolf Hitler«. Am 27. Juli 1944 gelang Welskopf die Flucht, indem er statt seiner »Zebra«-Kleidung eine Schlossermontur trug, die ihm eine Frau besorgt hatte, mit der er durch Kassiber in Verbindung stand. Unbeachtet spazierte er an den Wachen vorbei. Anders als die wenigen Häftlinge, denen der Ausbruch zwar gelang, die aber nach kurzer Zeit wieder aufgegriffen wurden, weil sie ziellos in den Wäldern umher streiften, wurde Welskopf von seiner Brieffreundin dauerhaft mit einer Unterkunft, ja sogar mit Arbeit versorgt. Er reparierte das von Bomben beschädigte Dach des Mietshauses, in dem die Fluchthelferin wohnte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkten immerzu schwarze Limousinen: Dort befand sich die Privatwohnung von Gestapo-Chef Ernst Kaltenbrunner.
Welskopfs Retterin war die 1901 geborene promovierte Historikerin Liselotte Henrich. In Jan und Jutta schrieb sie über ihren Ehemann: »Sein Handeln, sein Denken, seine knappen Worte entsprachen sich und waren immer ohne Umschweife auf das Wesentliche gerichtet. Er war aus einem Guss, er besaß die Unbeugsamkeit des Charakters, die den Menschen in den Zeiten der Gefahr zum Helden macht.« Nach dem Krieg war Welskopf zunächst im Baustoffhandel tätig und 1950-51 im DDR-Ministerium für Schwerindustrie mit dem Aufbau eines Bergungsbetriebes für Schrott und andere Wertstoffe befasst. Bis zu seiner Pensionierung 1962 arbeitete er als Leiter der Allgemeinen Verwaltung bei der Reichsbahn-Bau-Union. Er starb am 17. Januar 1979 in Ost-Berlin, seine Frau ein halbes Jahr später. (August 2002)
mehr im Internet auf der Homepage von Rudolf Welskopf jun. Buxtehude:
Schwieriges Gedenken an Rudolf Welskopf Die Kreisvereinigung Stade der VVN-BdA wandte sich am 14. Juli 2002 mit einem Brief an den Bürgermeister von Buxtehude und an die im Stadtrat vertreten Parteien: Betreff. Öffentliche Ehrung aus Anlaß des 100. Geburtstages von Rudolf Welskopf Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beantragen, dass die Stadt Buxtehude aus Anlass des 100. Geburtstages eine öffentliche Ehrung des kommunistischen Widerstandskämpfers (z.B. Straßenbenennung, Gedenktafel, Ausstellung etc.) vornimmt. Die nächsten Jahre gab es in Buxtehude eine politische Diskussion über eine mögliche Ehrung für den kommunistischen Widerstandskämpfer. Die sich umfassend in der Berichterstattung der regionalen Zeitungen wiederspiegelte: Buxtehuder Tageblatt 27.07.2002 Streit um Ehrung für Nazi-Gegner Bund der Antifaschisten: Buxtehude soll kommunistischen Widerstandskämpfer öffentlich würdigen Buxtehuder Tageblatt 27.07.2002 Die zwei Leben eines Buxtehuder Kommunisten Die Biographie von Rudolf Welskopf – Von Buxtehude nach Ostberlin Neues Deutschland 01.08.2002 "Ist ein Arbeiter weniger Wert?" Schwieriges Gedenken an einen kommunistischen Widerstandskämpfer Buxtehuder Tageblatt 07.08.2002 Frage der Woche: Mehrheit will Ehrung Kreis Stade (rsu). Sollte der kommunistische Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf geehrt werden? So lautete in der vergangenen Woche die Frage der Woche bei TAGEBLATT-online. Eine Mehrheit sprach sich dafür aus: 56,9 Prozent der Teilnehmer dieser nicht repräsentativen Umfrage halten das Wirken des Buxtehuders für ehrwürdig. Buxtehuder Tageblatt 29.08.2002 Der tote Anti-Faschist mit der ungewissen Zukunft Erinnerungen zum 100. Geburtstag des Widerstandskämpfers Rudolf Welskopf Buxtehuder Tageblatt 12.10.2002 Gedenktafel für Welskopf Bürgermeister Jürgen Badur macht "als Privatperson" einen Vorschlag Buxtehuder Tageblatt 16.10.2002 Initiative unterstützt den Welskopf-Abend Monika Wörmer (SPD) will Ehrung durch Stadt Am 12. November 2002 veranstalteten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Kreisverband Stade), die Initiative gegen rechte Gewalt und Intoleranz Buxtehude und die VVN-BdA (Kreisvereinigung Stade) in Buxtehude einen Erinnerungsabend an den Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf. An der Veranstaltung mit über 100 Besuchern nahmen auch der Sohn des Widerstandskämpfers und weitere Angehörige teil. Der Erinnerungsabend wurde finanziell von der Rosa Luxemburg Stiftung mitgetragen. Der Kulturausschuss der Stadt Buxtehude begrüßte auf seiner Sitzung am 14.11.2002 den Vorschlag der Stadtverwaltung für eine Gedenk- und Erinnerungstafel an Welskopf. Das Thema sollte aber noch einmal in den Fraktionen erörtert werden. Buxtehuder Tageblatt 16.11.2002 Erinnerungstafel für Rudolf Welskopf Buxtehuder Widerstandskämpfer soll geehrt werden Die Stadt Buxtehude liess nun, wie vom Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung am 14.12.2002 verlangt, Rudolf Welskopf von der "Birthler-Behörde" überprüfen. Die VVN-BdA Kreisvereinigung Stade wandte sich am 3. August 2004 an den Bürgermeister von Buxtehude: Betreff: Gedenk- und Erinnerungstafel für den Buxtehuder Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf Sehr geehrter Herr Bürgermeister Badur! Der Kulturausschuss der Stadt Buxtehude hat am 14.11.2002 den Vorschlag der Verwaltung für eine Gedenk- und Erinnerungstafel an den Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf begrüßt. Es sollten aber noch Erkundigungen eingeholt werden, ob es Verbindungen von Rudolf Welskopf zur Staatssicherheit in der ehemaligen DDR gab. Könnten Sie uns bitte mitteilen, wie der augenblickliche Erkenntnisstand ist und ob in absehbarer Zeit eine Gedenk- und Erinnerungstafel eingeweiht wird. Die Stadt Buxtehude antwortete am 27. August 2004: Betr: Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf Sehr geehrter Herr Quelle, zu Ihrem Schreiben vom 03.08.2004 kann ich Ihnen mitteilen, dass die Stadt Buxtehude – wie vom Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung am 10.12.2002 verlangt – im Januar 2003 eine Anfrage in Bezug auf die Biographie von Rudolf Welskopf an die Bundesbeauftragte für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ("Birthler-Behörde") gerichtet hat. Die Anfrage wird dort zurzeit noch bearbeitet. Sobald eine Antwort eingegangen ist, wird erneut beraten werden. Die entsprechenden Termine entnehmen Sie bitte der Tagespresse. Die Stadt Buxtehude bekam am 7. September 2004 Antwort von der "Birthler-Behörde" – und hielt die Antwort unter Verschluss. Laut schriftlicher Mitteilung der Behörde wurde Rudolf Welskopf mehrere Jahre vom MfS (Ministerium für Staatssicherheit) überwacht und ausgeforscht. Die Ursache lag wohl in den zahlreichen Auslandskontakten, die insbesondere durch seine Ehefrau Liselotte Welskopf-Henrich, Professorin für Alte Geschichte und Romanautorin, zustande kamen. Welskopf hat sich, nach Behördenauskunft, weder in besonderer Weise für noch gegen die DDR engagiert. Die Stadtverwaltung machte Monate später dem Kulturausschuss der Stadt eine Vorlage, dass mit einer "Informationstafel" am Stavenort (dem letztem Wohnort von Welskopf in Buxtehude) an den kommunistischen Widerstandskämpfer erinnert werden soll. Ein Beschluss des Verwaltungsausschusses der Stadt für die Ehrung lag ja bereits seit 2002 vor. Im Rahmen der Vorlage gab die Stadt auch die Antwort der "Birthler-Behörde" bekannt. Im Vorfeld der Sitzung des Kulturausschusses am 17. Februar 2005 titelten die regionalen Zeitungen : Buxtehuder Tageblatt 12.02.2005 Widerstandskämpfer Welskopf wird geehrt Eine "Informationstafel" soll an den Buxtehuder Kommunisten erinnern Neue Buxtehuder – Wochenblatt 12.02.2005 Widerstand in die Köpfe bringen Wer war Rudolf Welskopf? Der Kulturausschuß berät über eine Infotafel für das Stadtarchiv Harburger Rundschau (Hamburger Abendblatt) 16.02.2005 Gedenktafel erinnert an Welskopf Die Zeitungen berichteten auch über die Antwort der "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" auf die Anfrage der Stadt Buxtehude, ob Welskopf für die Staatssicherheit gearbeitet habe, Mitmenschen denunziert hätte oder an politischen Verbrechen beteiligt war. Was ja in keiner Weise zutraf. In der Sitzung des Kulturausschusses kamen von den Abgeordneten der CDU und FDP Einwände, die vorher (zumindest öffentlich) von ihnen so nicht geäußert wurden: Petra Möhle (CDU): "Ich frage mich, ob wir einen Kommunisten ehren sollten." Lorenz Hünnemeyer (CDU): "Wir sollten hier niemand zum Widerstandskämpfer stilisieren." Lisa Peters (FDP): "Warum ehren wir nur einen, warum nicht alle damals in dem Prozess verurteilten Buxtehuder?" Die Ausschussmitglieder der SPD setzten sich für eine Ehrung ein: Dieter Klar (SPD): "Sophie Scholl hat auch nur Flugblätter verteilt, musste dafür sterben. Was Scholl und Welskopf gemacht haben, das war Widerstand." Nick Freudenthal (SPD): "Welskopf war Widerstandskämpfer. Und der Widerstand gegen das verbrecherische System der Nationalsozialisten kam eben eher aus dem linken Lager und nicht von rechts." Dieter Klar (SPD): "Dass er Kommunist war, ist unwichtig. Wir sollten mit dieser Tafel ein Zeichen setzen – gegen den Faschismus, der auch heute noch grassiert." Nach einer hitzigen Diskussion einigte sich der Ausschuss auf Vertagung. Bis zur nächsten Sitzung soll nun die Verwaltung drei Vorschläge ausarbeiten: 1. Eine Tafel für Welskopf allein. 2. Eine Tafel für Welskopf mit allen (im "Buxtehuder Hochverratsprozess") verurteilten. 3. Eine Tafel für alle Widerstandskämpfer. Buxtehuder Tageblatt 19.02.2005 "Welskopf"-Tafel spaltet die Politik Vorerst keine Erinnerung an den Nazi-Gegner. Dr. Rudolf Welskopf, Berlin, schrieb am 20. Februar 2005 einen offenen Brief: Sehr geehrte Damen und Herren, die Auseinandersetzung um das Vorhaben, eine Gedenktafel an den Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf (1902 – 1979) anzubringen, veranlasst mich, seinen Sohn, zu einer Stellungsnahme. Die Ablehnung eines öffentlichen Gedenkens an ihn macht mich traurig. Nicht weil ich übermäßigen Wert auf eine Tafel "am Hinterhaus des Stadtmuseums" (Buxtehuder Wochenblatt v. 12.2.2005) legen würde. Sondern wegen der (offenen oder verdeckten) Begründung, dass er Kommunist gewesen sei. Dies empfinde ich als ein Fortbestehen der "Mauer in den Köpfen). Mit ähnlichen Motiven – lediglich unter umgekehrten Vorzeichen – war in der DDR das Gedenken an den bürgerlichen Widerstand und erst recht den 20. Juli 1944 verpönt. Wähnen sich einige Buxtehuder Lokalpolitiker heute, 60 Jahre nach Kriegsende und fast 16 Jahre nach der Wende in der DDR, immer noch im Kalten Krieg? Wenn man sich nicht einmal in Hinblick auf die politisch motivierten Opfer des NS-Regimes einigen und versöhnen kann, wie kann ein Konsens "der Demokraten" gegen Rechtsextremismus zu Stande kommen?? Neo-Nazis lachen sich ins Fäustchen.... Da waren in der Nazi-Zeit verfolgte Kommunisten und bürgerliche Demokraten schon weiter. Mein Vater verdankte auch ihnen sein Über-Leben. Das wird in dem Roman, der seine Geschichte erzählt – "Jan und Jutta" von Liselotte Welskopf-Henrich – keineswegs verschwiegen. Aber Gutes hat die Auseinandersetzung auch: sie macht deutlich, wer wie zur Vergangenheit steht, und sie macht Rudolf Welskopf, dessen Widerstand nach seiner Verurteilung als Hauptangeklagter im "Buxtehuder Hochverratsprozeß" keineswegs aufhörte, nur noch bekannter. Mit freundlichen Grüßen Dr. Rudolf Welskopf In Buxtehude fand bis zur nächsten Sitzung des Kulturausschusses im April 2005 eine öffentliche Diskussion statt. Die Schlagzeilen der regionalen Zeitungen: Buxtehuder Tageblatt 22.02.2005 Umstrittene "Welskopf"-Tafel reißt alte Wunden auf Sohn des Widerstandskämpfers übt Kritik am Fortbestehen der Mauer in den Köpfen – Jusos und PDS kritisieren CDU und FDP Neue Buxtehuder – Wochenblatt 23.02.2005 Erinnerung bereitet noch Probleme Harburger Rundschau (Hamburger Abendblatt) 23.02.2005 Buxtehude streitet um Gedenktafel Widerstand: Rudolf Welskopf wurde von den Nazis verurteilt. Der Rat ist sich über die Vergangenheitsbewältigung nicht einig. Buxtehuder Tageblatt 11.03.2005 Welskopf-Diskussion beenden Buxtehuder SPD-Vorsitzender Dr. Harald Stechmann kritisiert die Fraktionen von CDU und FDP scharf Buxtehuder Tageblatt 16.03.2005 Gedenkstätte für alle Widerstandskämpfer CDU-Fraktionschef Detlef Schlenkermann kritisiert die SPD-Erklärung in Sachen "Welskopf-Ehrung" Neue Buxtehuder – Wochenblatt 16.03.2005 Hinter verschlossenen Türen? Streit um Ehrung für Widerstandskämpfer Welskopf geht weiter Buxtehuder Tageblatt 22.03.2005 SPD-Parteivorsitzender attackiert Christdemokraten Diskussion über die Welskopf-Tafel geht weiter Neue Buxtehuder – Wochenblatt 23.03.2005 SPD will öffentlich diskutieren Gedenktafel für Welskopf: Enthüllung sollte am 8. Mai sein Buxtehuder Tageblatt 06.04.2005 FDP: Gedenktafel am Buxtehuder Rathaus Liberale lehnen Welskopf-Tafel ab Harburger Rundschau (Hamburger Abendblatt) 07.04.2005 Ein Widerstandskämpfer? Welskopf-Ehrung spaltet den Buxtehuder Rat In Buxtehude fand am 14. April 2005, vor vielen Besuchern, die nächste Sitzung des Kulturausschusses statt. Der Ausschuss sprach sich mit 5:4 Stimmen gegen eine Erinnerungstafel für Welskopf am Stavenort aus. CDU und FDP wollten stattdessen folgende Inschrift auf einer Plexiglas-Tafel am Rathaus anbringen lassen: "Die Stadt Buxtehude gedenkt mit Respekt der Buxtehuderinnen und Buxtehuder, die den Mut hatten, gegen das nationalsozialistische Regime (1933-1945) Widerstand zu leisten." Die FDP-Abgeordnete Lisa Peters kündigte an, dass sich ihre Fraktion noch einmal mit dem Thema und einem Kompromissvorschlag der SPD beschäftigen wird. SPD und Grüne wollten dafür sorgen, dass der Stadtrat die endgültige Entscheidung trifft. Die Schlagzeilen der regionalen Zeitungen nach der Sitzung: Buxtehuder Tageblatt 16.04.2005 Die Mehrheit will eine Tafel ohne Namen Kulturausschuss lehnt Erinnerung an den kommunistischen Widerstandskämpfer Welskopf ab Buxtehuder Tageblatt 16.04.2005 Lieber risikolos und allgemein Gastkommentar von Stadtarchivar Dr. Jürgen Bohmbach aus Stade zur "Welskopf-Diskussion" Harburger Rundschau (Hamburger Abendblatt) 16.04.2005 Streit um Welskopf-Tafel Jetzt soll der Buxtehuder Stadtrat das Thema diskutieren Neue Buxtehuder – Wochenblatt 16.04.2005 "Ein Name hat andere Wirkung" Buxtehuder Kulturausschuß will keine Welskopf-Tafel / Die Debatte geht wohl weiter In einem Kommentar der Zeitung ("Namen nennen") schrieb Tom Kreib: "Die Entscheidung im Ausschuß ist falsch. Nicht weil Welskopf nicht bedeutend genug war oder anonymer Widerstand in Vergessenheit geriete. Die Namen müssen genannt werden, weil sie das namentliche Gegenstück zu den anonymen Tätern sind. Zu denen, die zum Beispiel still und leise ihren Nachbarn denunziert haben. Auch solche Menschen gab es damals in Buxtehude." In der Nacht nach der Sitzung des Kulturausschusses brachten junge Leute eine "provisorische Gedenktafel" für Welskopf am Stadtmuseum an. In einem Flugblatt forderten sie ein "Ende der polemisch geführten Debatte". Eine weitere Aktion junger Leute fand im Juli 2005 statt: Auf Plakaten wurde an Rudolf Welskopf erinnert und eine Gedenktafel aufgestellt. In der Sitzung des Stadtrates am 11. Juli 2005 wurde, gegen die Stimmen der CDU, beschlossen, mit einer Gedenktafel am Stadtarchiv an Welskopf und andere zu erinnern. Mehrheitsfähig wurde dies, weil sich die beiden anwesenden FDP-Ratsmitglieder Lisa Peters und Marianne Eule für die Gedenktafel aussprachen. Zusätzlich zur Gedenktafel beschloss der Rat einstimmig, Historiker mit der Aufarbeitung der NS-Zeit in Buxtehude zu beauftragen. Die lokalen Zeitungen berichteten: Neue Buxtehuder – Wochenblatt 13.07.2005 Lösung für die Welskopf – Tafel Buxtehuder Tageblatt 13.07.2005 Welskopf wird geehrt Rat würdigt kommunistischen Widerstand Buxtehude (rsu). Der Rat hat entschieden: Der kommunistische Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf und seine Gruppe von weiteren 14 Verurteilten in der NS-Zeit werden geehrt. Am Stadtarchiv wird eine Gedenktafel angebracht, die auf ihr Wirken und Leiden hinweist. Insgesamt zehn Stimmen gegen diesen Vorschlag kamen von der CDU und Bürgermeister Jürgen Badur. Die Inschrift der Tafel: Im Haus Stavenort 5 wohnte 1934 Rudolf Welskopf (1902 – 1979), der mit seiner Gruppe 1933 – 1934 gegen das nationalsozialistische Regime Widerstand leistete und dafür 5 Jahre Zuchthaus und 4 Jahre Konzentrationslager ertragen musste. Die Gedenktafel wurde im November 2005 angebracht. Neue Buxtehuder – Wochenblatt 23.11.2005 An Widerstand erinnern Gedenktafel nach langem Streit: Buxtehude ehrt Rudolf Welskopf Die Anbringung der Gedenktafel wurde nicht öffentlich gemacht, sodass neben dem Bürgermeister nur wenige Mitglieder der SPD und FDP anwesend waren. Die SPD hatte noch angeregt, dass der in Berlin lebende Sohn von Rudolf Welskopf zur Tafel-Enthüllung eingeladen wird. Die Ratsmehrheit lehnte das ab. Alle Gruppen und Personen, die sich in der Vergangenheit für eine Ehrung eingesetzt hatten, wurden nicht eingeladen. Buxtehuder Tageblatt 31.12.2005 Jahresrückblick Buxtehude (rsu). Ausgezeichnet für seinen Einsatz gegen die Nazis im Dritten Reich wurde Rudolf Welskopf, wegen seiner kommunistischen Vergangenheit aber nicht ohne Kritik vor allem aus CDU-Reihen. Erinnerung an Rudolf Welskopf
In Buxtehude trafen sich am vergangenen Sonnabend , dem 25. August 2007, Mitglieder aus verschiedenen politischen Organisationen und Parteien (VVN-BdA, Jusos, Die Linke, DKP, Bündnis 90/Die Grünen) an der Gedenktafel am Stavenort, um sich aus Anlaß des 105. Geburtstages an den Buxtehuder Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf zu erinnern. Michael Quelle (VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) würdigte das Leben des tapferen Mannes, der von den Nazis neun Jahre in Zuchthaus und Konzentrationslager eingesperrt wurde. Rudolf Welskopfs Kampf gegen die Nazis wurde in dem Roman "Jan und Jutta" von seiner zweiten Ehefrau Lieselotte Welskopf-Henrich ein bleibendes Denkmal gesetzt. Michael Quelle benannte auch die 15 Mitkämpfer von Rudolf Welskopf , die 1935 im sog. "Buxtehuder Hochverratsprozess" wegen ihrer Widerstandsarbeit gegen die Nazis zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Das hohe Ansehen, das Rudolf Welskopf bei seinen Mithäftlingen im Konzentrationslager genoss , schilderte eindringlich ein Text von Hans Grundig, der von Bianca Stelter (Die Linke) verlesen wurde. An der Gedenktafel für Rudolf Welskopf und seine Gruppe wurden abschließend rote Rosen angebracht. Eine junge Antifaschistin hielt am 26. August 2010, beim jährlichen Gedenken an
Rudolf Welskopf, eine bewegende Ansprache:
Was
ist Widerstand? Ist es schon Widerstand, wenn ich mich nicht konform verhalte? Wenn ich aktiv gegen das Regime arbeite, wenn ich es mit Worten schlagen will, indem ich z.B. Flugblätter verteile? Wenn ich schlussendlich sogar zur Gewalt greife, weil die Lage aussichtslos erscheint? Das alles ist Widerstand, das alles ist Widerstand, der in Deutschland 1933 bis 1945 geleistet wurde. Und jede Form von Widerstand hatte ihre Berechtigung, das eine sollte nicht schlechter bewertet werden als das andere, in einer Zeit in der jede Art von Nonkonformität zu Folter und Tod führen konnte. Damals hieß es für das unmenschliche Naziregime „Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns.“, für ideologische Differenzierungen blieb da wenig Platz. Wie gehen wir heute mit diesem Erbe der vielfältigen deutschen Widerstandsbewegung um? Was gilt als ehrenwert und heldenhaft und über welche Widerstandskämpfer hüllt man lieber den Mantel des Schweigens? Diese Frage mussten sich auch 2002 die Buxtehuder Politiker stellen. Anlass war ein Brief des VVN-BdAs an die Buxtehude Parteien, dass „ (...) aus Anlass des 100. Geburtstages eine öffentliche Ehrung des kommunistischen Widerstandskämpfers [Rudolf Welskopf] (z.B. Straßenbenennung, Gedenktafel, Ausstellung etc.) (...)“ vorgenommen wird. Widerstandskämpfer, schön und gut – aber Kommunist und später DDR Bürger, dies war für einige Politiker, nicht unbedingt der Stoff aus den Helden gemacht sind. Kurz zur Biografie dieser umstrittenen Buxtehuder Persönlichkeit, um die sich 2002 bis 2005 der „Buxtehuder Gedenktafelstreit“ drehte: August
Rudolf Welskopf wurde am 25. August 1902
in Borstel geboren. Er erlernte den Beruf des Zimmermanns. 1925 heiratete er.
Ebenfalls 1925 trat er der SPD bei. 1930 wechselte er jedoch in die KPD, da sie
in seinen Augen als radikalere Partei mehr gegen den Faschismus würde
ausrichten können. Außerdem kritisierte er scharf die Abgrenzung der SPD
gegenüber der KPD, da für ihn beide Parteien für besser Arbeitsbedingungen
kämpften. 1932 verlor Welskopf seine Arbeit und zog mit seiner Familie in den Stavenort 5, damals ein typisches Arbeiterviertel, um. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Welskopf aufgrund seiner KPD-Mitgliedschaft von Mai bis März in „Schutzhaft“ genommen. Trotzdem baute Welskopf danach mit seinen Freunden eine illegale Organisation der KPD auf. Sie verteilten bis 1943 weitgehend unentdeckt in Buxtehude Flugblätter und Zeitungen und unterstützen die Familien von inhaftierten Genossen. Ein Kurier der Hamburger Genossen wurde jedoch am 1934 von der Gestapo abgefangen und unter Folter verriet er seine Mitverschwörer. Daraufhin wurden 15 Buxtehuder, darunter auch Welskopf, sowie 200 Hamburger Kommunisten verhaftet. Am 25./26.3.1935 kam es anschließend zum „Buxtehuder Hochverratsprozess“. Rudolf Welskopf, politischer Leiter, Organisationsleiter und Hauptkassierer der kommunistischen Ortsgruppe Buxtehude, nahm während des Prozess alle Schuld auf sich und bekam deswegen die höchsten Strafe in dem Stader Prozess: 5 Jahre Zuchthaus. Nach Ablauf seiner Haftzeit wurde Welskopf 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt. Ab 1943 befand er sich in einem Arbeitskommando in Berlin-Lichtenfeld. Mithilfe seiner späteren Frau, Dr. Elisabeth Charlotte Welskopf - Henrich , gelang Welskopf am 27. Juli 1944 schließlich die Flucht. Bis zum Ende des Krieges 1945 versteckte er sich in der Ruine ihres alten Wohnhauses, wo er weiterhin in den letzten Kriegsmonaten Flugblätter druckte und verteilte. Nach der Aufteilung Berlins unter den Alliierten blieb Welskopf mit seiner Frau in dem sowjetischen Sektor. In den folgenden Jahren arbeitete er im Baugewerbe sowie für das Ministerium für Schwerindustrie und bei der Reichsbahn in der DDR. Am 17. Januar 1979 verstarb Rudolf Welskopf in Berlin. Trotz des von Welskopf geleisteten Widerstandes gegen ein menschenverachtende Diktatur, trotz der Lebensgefahr in der er sich immer wieder begeben hatte, war Welskopfs kommunistische Orientierung und sein späteres Leben in der DDR der am meisten diskutierte Punkt seiner herausragenden Biographie. Selbst als die offizielle Bestätigung kam, dass Welskopf sich nicht für die Stasi engagiert hatte, hielten einige Buxtehuder Politiker an ihrer Meinung fest: Ein Mensch, der für ein undemokratisches System, den Kommunismus, eingetreten ist, den ehren wir nicht! Letztendlich wurde nach langem Streit doch die Gedenktafel angebracht, doch das Ganze glich eher einer politischen Pflichtübung, bei der noch nicht mal alle Buxtehuder Stadtratsmitglieder anwesend waren. Den Aufbau einer Gedenkkultur übernahmen andere. Warum wird Welskopf das historische Andenken und die Anerkennung seiner mutigen Taten verweigert und Menschen wie Stauffenberg, der beileibe ebenfalls kein eingefleischter Demokrat war, kriegen jedes Jahr ein öffentliches Gelöbnis? Wir müssen unsere „Helden“ kritisch begutachten, wir müssen hinterfrage, wir müssen schauen, wer der Mensch hinter dem Mythos ist. Dabei werden wir immer wieder feststellen, dass es keine perfekten Biografien gibt, sondern nur Menschen, mit Ecken und Kanten, mit Ansichten und politischen Einstellungen, die uns vielleicht nicht passen. Doch schmälert dies ihre Taten? Wie schon anfangs erwähnt: Zu Zeit der Naziherrschaft gab es nur ein für oder gegen das Regime. Sich gegen die Nazis zu wehren, auf ihren Sturz hinzuarbeiten, war todesgefährlich. Welskopf kannte dieses Risiko und trotzdem wollte er nicht schweigen, trotzdem wollte er nicht untätig bleiben. Genauso wie Stauffenberg, die Geschwister Scholl, Bonhoeffer und die vielen anderen großen und kleinen Widerstandskämpfer, die heute vergessen sind. Mit Welskopf hat Buxtehude seine eigene Identifikationsfigur, die stellvertretend für die vielfältige deutsche Widerstandsbewegung steht. Wer Welskopf ignoriert, vertut eine einmalige Chance den heutigen Generationen einen Menschen zu zeigen, der einmal den Mut hatten sich zu wehren, der Zivilcourage gezeigt hat, ein Mensch aus demselben Ort, aus derselben Stadt, der als Vorbild dienen kann. Schließlich möchte ich enden mit einem sehr treffenden Zitat von Welskopfs Sohn: „Wenn man sich nicht einmal im Hinblick auf die politisch motivierten Opfer des NS-Regimes einigen und versöhnen kann, wie kann dann ein Konsens der Demokraten gegen den Rechtsextremismus zu Stande kommen? Neo-Nazis lachen sich wieder ins Fäustchen.
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