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»Gedenkstein« in Buxtehude


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© VVN-BdA Stade 2003


Am 9. Mai 2003 wurde in Buxtehude der »Friedensplatz« auf dem Gelände der aufgelösten Estetalkaserne eingeweiht. Zugleich wurde ein »Gedenkstein« enthüllt, der an den 22. April 1945 erinnern soll. An diesem Tag wurde die Stadt angeblich kampflos der britischen Armee übergeben.

Auf Anregung des früheren SPD-Bürgermeisters Hans-Georg Freudenthal und der Ehemaligen der Estetalkaserne sollte der Platz nach Siegfried Engel benannt werden. Konteradmiral Engel soll verantwortlicher Kommandant in Buxtehude zum Zeitpunkt der Übergabe gewesen sein. Nach einer anderen Version hatte Kapitän zur See Alexander Magnus das Kommando. Mit der vom Stadtarchivar Bernd Utermöhlen gelieferten Begründung, nicht Engel allein sei für die »kampflose Übergabe« verantwortlich, lehnte der Rat der Stadt diesen Vorschlag ab.

Das war im Juni 2000. Was genau am 22. April 1945 in Buxtehude geschah, ist seitens der Stadt seither nicht zureichend aufgeklärt worden. Ein vom Buxtehuder Tageblatt ins Internet gestellter Text eines an der Kapitulation Beteiligten und auf dem »Gedenkstein« Verewigten, des Oberleutnants und Pastors Karl Halaski, lässt zweifelhaft erscheinen, ob die Übergabe der Stadt tatsächlich »friedlich und ohne jedes Blutvergießen über die Bühne der lokalen Geschichte ging« (Buxtehuder Tageblatt vom 3.6.2000).

Freudenthal und die Ehemaligen der Estetalkaserne durften mit Genehmigung der Stadt einen »Gedenkstein« auf dem Friedensplatz aufstellen, der zugleich mit der Einweihung am 9. Mai 2003 enthüllt wurde. Darauf werden die vier Offiziere Engel, Magnus, Halaski und Hauptmann Hans Haverkamp namentlich dafür geehrt, dass sie »unter Einsatz ihres Lebens die Stadt vor »Menschenopfern und Zerstörung« retteten.

»Für die Zukunft, für die Jugend«, sagte Hans-Georg Freudenthal bei der Enthüllungszeremonie, wolle man der Ereignisse am Kriegsende gedenken. »Nach dem Zweiten Weltkrieg kann alles krisitert werden«, fuhr er fort, »vor allem die, die in Frieden und Wohlstand aufgewachsen sind, die jungen Leute, die heute kritiseren, dass wir diesen Gedenkstein enthüllen, sollten sich bei ihren Eltern erkundigen.« Er selbst, der 1945 zwölf Jahre alt war, behauptet eine Zeugenschaft dafür, dass »junge SS-Leute eingeschlossen worden« seien, »damit der Jeep mit der weißen Fahne die Kaserne verlassen konnte.« Deshalb, so Freudenthal, sei die »kampflose Übergabe« mit unmittelbarer Lebensgefahr verbunden gewesen.

Durch die Website des Antifaschistischen Bündnisses in Wilhelmshaven war vor der Aufstellung des »Gedenksteins« bekannt geworden, dass Konteradmiral Engel an der Verhängung von wenigstens 54 Todesurteilen gegen Deserteure beteiligt war. Das Urteil gegen den Marinesoldaten Heinrich Schoon, das Engel noch im März 1945 abzeichnete, wurde am 27. April vollstreckt - nachdem Engel selbst in Buxtehude fahnenflüchtig geworden war.

Weitere Recherchen brachten zu Tage, dass Alexander Magnus an der Deportation von Juden im griechischen Korfu beteiligt gewesen sein soll und verantwortlich war für die Erschießung von 17 Zivilisten in Patras als »Sühnemaßnahme« für einen Partisanenüberfall.


Die Inschrift auf dem »Gedenkstein«:
Am 22. April 1945 wurden die Estetal-Kaserne und die Stadt Buxtehude kampflos den britischen Truppen übergeben. Unter Einsatz ihres Lebens gelang es den verantwortlichen Offizieren Konteradmiral Siegfried Engel, Kapitän zur See Alexander Magnus, Hauptmann Hans Haverkamp, Oberleutnant Karl Halaski (ev. Pfarrer) Menschenopfer und die Zerstörung der Stadt zu verhindern.

Keine drei Wochen nach der Enthüllung wurde die Plakette auf dem »Gedenkstein« heimlich wieder entfernt. Geplant ist nun, eine neue Plakette anzubringen - ohne die Namen von Engel, Magnus, Halaski und Haverkamp, aber mit gleichem Inhalt.

Bislang machen der Rat und der Stadtarchivar keine Anstalten, die Vorgänge am Kriegsende sorgfältig zu erforschen und zu dokumentieren, bevor eine neue Gedenktafel angebracht und einem Ereignis gehuldigt wird, das womöglich so nie stattgefunden hat. Siehe unsere Dokumentation der Zeitzeugenberichte. Seine mangelhaften Recherchen hat der Stadtarchivar gegenüber der Presse mit fehlerhafter Information durch Bundesarchive zu bemänteln versucht. Dass er ein gestörtes Verhältnis zur Zeitgeschichte hat, belegt das Stadtportrait, das er für das Internet-Portal von Buxtehude geschrieben hat und in dem die NS-Geschichte mit keinen Wort erwähnt wird.

Überhaupt ist die Epoche zwischen 1933 und 1945 auf der historischen Landkarte von Buxtehude ein weißer Fleck. 2002 hat die VVN-BdA erstmals an diese Zeit mit einer Veranstaltung zum Widerstandskämpfer Rudolf Welskopf erinnert. Der »Gedenkstein« ist der erste »Erinnerungsversuch« seitens des Rats und der Verwaltung von Buxtehude.

Am 3. Januar 2004 vermeldet das Buxtehuder Tageblatt, dass ein nicht-öffentlich tagender Auschuss der Stadt eine neue Inschrift beschlossen hat: »Am 22. April 1945 ging für Buxtehude der Zweite Weltkrieg zu Ende. An diesem Tag wurden die Estetalkaserne und die Stadt kampflos den britischen Truppen übergeben. Dadurch wurden der Tod von Menschen und Zerstörungen verhindert.«

Die tatsächlichen Ereignisse bleiben unklar. Inzwischen gibt es sogar Hinweise, dass eine Einheit aus Kindern der »Hitler-Jugend« bei der kampflosen Übergabe zum Einsatz gekommen sein könnte. Der Rat der Stadt Buxtehude beharrt darauf, eines Ereignisses zu gedenken, das nicht zweifelsfrei belegt ist. Man erinnert sich ehrend, weiß aber nicht genau, woran.


Zeitung

Presseveröffentlichungen

Buxtehude erhält einen Friedensplatz. Gedenken an friedliche Kriegs-Übergabe 1945
Tageblatt 3. Juni 2000

Ein gewaltiger Findling für den Friedensplatz. Freudenthal sammelt für Gedenktafel
Wochenblatt 12. März 2003

Offiziere retteten die Stadt Buxtehude. Ein »Friedensplatz« zu ihren Ehren
Tageblatt 12. März 2003

Leserbrief Stader Tageblatt

Friedensplatz: Streit um den Gedenkstein. Abbau im Gespräch - Buxtehuder Verwaltung prüft Vergangenheit der Offiziere
Tageblatt 10. Mai 2003

Gedenkstein wird politisches Thema. Fraktionsvorsitzende gehen auf Distanz
Tageblatt 13. Mai 2003

Ein Gedenkstein für Kriegsverbrecher? Enthülltes Denkmal auf Friedensplatz sorgt für Unruhe
Wochenblatt 14. Mai 2003

Der Stein soll weg. FDP-Fraktion drängt auf Entfernung des Denkmals
Tageblatt 15. Mai 2003

Hickhack um den Gedenkstein. Verwaltungsausschuß will sich mit Mahnmal beschäftigen
Wochenblatt 21. Mai 2003

Leserbrief Wochenblatt

Geblieben sind Schmierereien. Gedenkstein: Tafel entfernt - Verstrickungen in Kriegsverbrechen
Wochenblatt 31. Mai 2003

Neue Gedenktafel auf dem Friedensplatz. Keine Namen mehr - Stadt Buxtehude redet beim Text mit
Tageblatt 5. Juni 2003

Zwei geehrte Offiziere an Verbrechen beteiligt. Buxtehuder Gedenkstein: Die neuesten Recherchen der Stadt
Wochenblatt 7. Juni 2003

Leserbrief Wochenblatt

Ehrentafel für Offiziere abgebaut. Die gefeierten Retter der Stadt werden mehrerer Verbrechen in der NS-Zeit verdächtigt
Harburger Rundschau 10. Juni 2003

Leserbrief: Irreführend
Harburger Rundschau 18. Juni 2003

Gesponnene Legende. Ein Admiral, der Todesurteile über Deserteure verhängte, wird in Buxtehude für seine Fahnenflucht geehrt
blick nach rechts 12. Juni 2003

NS-Admiral verhängte Todesurteile über Deserteure - und wird für seine Fahnenflucht geehrt
puk.de 15. Juli 2003

Buxtehuder Politik zieht Schlussstrich
Tageblatt 4. Januar 2004

Auf alle Fälle ehrenwert
Neues Deutschland 22. Januar 2004

Opa war ein Friedensheld
Ossietzky 8, 17. April 2004