Rechtsextremisten sprengen eine Schüler-Veranstaltung. Mit
von der Partie ist der »nationalrevolutionäre Theoretiker«
Reinhold Oberlercher.
1992 ermordeten organisierte Neonazis in Buxtehude einen älteren
Mann, weil er Hitler einen Verbrecher genannt hatte. Viel später, nachdem
der Verfassungsschutz in der Kleinstadt bei Hamburg ein Zentrum der
Aktivitäten der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Niedersachsen lokalisiert
hatte, gründete sich eine »Initiative gegen rechte Gewalt und
Intoleranz«, die eine aufwändige Lichterkette veranstaltete und
danach wieder verschwand. Zuletzt witterten die Neonazis in und um Buxtehude
Morgenluft, als der Stadtrat einen Gedenkstein errichten ließ, auf
dem Kriegsverbrecher zu Helden erklärt wurden (BnR 20/03). Von ganz
oben und von allen Parteien sanktioniert schien das eigene Weltbild, in dem
der Führernachwuchs seit Jahren in der »Alten Mühle«
in der Ortsmitte von Bargstedt geschult wird. Die so genannte
»NPD-Scheune« gehört dem Landesvize der niedersächsischen
NPD Adolf Dammann (BnR 17/01, 21/03). Als Forum nutzt der 63-Jährige,
dessen Tochter Funktionärin der JN ist, die Lokalzeitung; gerade erst
wurde ein antisemitischer Leserbrief von ihm veröffentlicht. Obwohl
er als Redner bei Aufmärschen in anderen Landesteilen auftritt, hielt
er sich in seiner Heimatstadt bisher persönlich zurück. Offenbar
glaubte Dammann die Stunde gekommen, Gesicht zu zeigen.
Gelegenheit bot ihm die Leitung des Buxtehuder Gymnasiums. Nach
monatelangem Ringen war es einer Gruppe Schülerinnen gelungen, die ebenso
umstrittene wie hoch gelobte Ausstellung der VVN-BdA über
»Neofaschismus in der Bundesrepublik« in ihrer Schule zeigen zu
können. Das Begleitprogramm durfte nicht in der Schule stattfinden,
sondern musste auf einen kleinen Raum in der Volkshochschule (VHS) ausweichen.
Etwa 20 Neonazis wurden gezählt, die am Montag, 13. Januar, zu der
Podiumsdiskussion über »Neofaschismus /Rechtsextremismus
eine Gefahr für die Gesellschaft?« anmarschierten und im Publikum
dominierten. Der Staatsschutz hatte eine konkrete Vorwarnung erhalten und
diese an die VHS, nicht jedoch an die veranstaltenden Schülerinnen weiter
gegeben.
Für die jungen Frauen war es daher überraschend, als nach
und nach immer mehr Skinheads den Raum betraten. Dammann hatte sich
außerdem Unterstützung aus Hamburg mitgebracht: Reinhold Oberlercher,
Jahrgang 1943, ehedem führender Aktivist des SDS, der gemeinsam mit
Horst Mahler das »Deutsche Kolleg« als Schulungszentrum für
völkisches Gedankengut abhält. Ab dem 6. Februar muss sich der
als öffentlichkeitsscheu geltende, sich als »nationaler Linker«
und »nationalrevolutionärer Theoretiker« bezeichnende Oberlercher
gemeinsam mit Mahler und dem dritten Kopf des »Kollegs« Uwe Meenen
vor den von ihnen so genannten »Hilfswilligen der Fremdherrschaft«,
den Richtern einer Strafkammer des Berliner Landgerichts, wegen Volksverhetzung
verantworten.
Oberlercher reklamierte sein Recht, mitdiskutieren zu dürfen.
»Sie können sich gerne mit uns prügeln«, erwiderte er
auf den Versuch der Veranstalterinnen, die ungebetenen Gäste aus dem
Publikum zu entfernen. Ein Beamter des Staatsschutzes sprang lautstark
Oberlercher und Dammann bei und forderte die Schülerinnen auf, doch
mit den geschulten Kadern zu reden. Notgedrungen löste der VHS-Leiter
die Veranstaltung auf.
Triumphierend zogen Oberlercher und Gefolge ab. »Ich bin kein
Faschist, ich bin Nationalsozialist«, tönte ein junger Neonazi
zum Abschied vor den Ohren der Staatsschützer. Rasch wurde noch ein
Flugblatt der JN verteilt, das sich geifernd über die
»Menschenjagd« und die »Hetzkampagne gegen die Nationale
Opposition« beklagt, die von mehreren namentlich benannten Personen
aus Buxtehude und Umgebung betrieben werde. Den vermeintlichen Sieg
verkündete das »Aktionsbüro Norddeutschland« prompt auf
seiner Internet-Site: »Antifa-Podiumsdiskussion in der VHS durch nationale
Besucher gewaltfrei aufgelöst«. Für die am nächsten Abend
am gleichen Ort geplante Veranstaltung kündigten die Rechten ihre
Rückkehr an.
Durch den Berichterstatter der Lokalzeitung erfuhren Schulleiter und
Politiker der Stadt von dem Vorfall und gaben ihre Empörung zu Protokoll.
Am Abend ließ sich keiner von ihnen blicken. Die »Initiative gegen
rechte Gewalt und Intoleranz« unter Schirmherrschaft des
Bürgermeisters hielt sich bedeckt. Allerdings waren 60 Schüler
des Gymnasiums und einige Lehrer vor Ort. Zehn Neonazis traten den Rückzug
an. Den VHS-Leiter verließ trotzdem der Mut, und das Referat über
die rechten Strukturen in der Region wurde nicht gehalten.
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