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Ausgabe 2/2004











Gesicht gezeigt

Rechtsextremisten sprengen eine Schüler-Veranstaltung. Mit von der Partie ist der »nationalrevolutionäre Theoretiker« Reinhold Oberlercher.

1992 ermordeten organisierte Neonazis in Buxtehude einen älteren Mann, weil er Hitler einen Verbrecher genannt hatte. Viel später, nachdem der Verfassungsschutz in der Kleinstadt bei Hamburg ein Zentrum der Aktivitäten der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Niedersachsen lokalisiert hatte, gründete sich eine »Initiative gegen rechte Gewalt und Intoleranz«, die eine aufwändige Lichterkette veranstaltete und danach wieder verschwand. Zuletzt witterten die Neonazis in und um Buxtehude Morgenluft, als der Stadtrat einen Gedenkstein errichten ließ, auf dem Kriegsverbrecher zu Helden erklärt wurden (BnR 20/03). Von ganz oben und von allen Parteien sanktioniert schien das eigene Weltbild, in dem der Führernachwuchs seit Jahren in der »Alten Mühle« in der Ortsmitte von Bargstedt geschult wird. Die so genannte »NPD-Scheune« gehört dem Landesvize der niedersächsischen NPD Adolf Dammann (BnR 17/01, 21/03). Als Forum nutzt der 63-Jährige, dessen Tochter Funktionärin der JN ist, die Lokalzeitung; gerade erst wurde ein antisemitischer Leserbrief von ihm veröffentlicht. Obwohl er als Redner bei Aufmärschen in anderen Landesteilen auftritt, hielt er sich in seiner Heimatstadt bisher persönlich zurück. Offenbar glaubte Dammann die Stunde gekommen, Gesicht zu zeigen.

Gelegenheit bot ihm die Leitung des Buxtehuder Gymnasiums. Nach monatelangem Ringen war es einer Gruppe Schülerinnen gelungen, die ebenso umstrittene wie hoch gelobte Ausstellung der VVN-BdA über »Neofaschismus in der Bundesrepublik« in ihrer Schule zeigen zu können. Das Begleitprogramm durfte nicht in der Schule stattfinden, sondern musste auf einen kleinen Raum in der Volkshochschule (VHS) ausweichen. Etwa 20 Neonazis wurden gezählt, die am Montag, 13. Januar, zu der Podiumsdiskussion über »Neofaschismus /Rechtsextremismus – eine Gefahr für die Gesellschaft?« anmarschierten und im Publikum dominierten. Der Staatsschutz hatte eine konkrete Vorwarnung erhalten und diese an die VHS, nicht jedoch an die veranstaltenden Schülerinnen weiter gegeben.

Für die jungen Frauen war es daher überraschend, als nach und nach immer mehr Skinheads den Raum betraten. Dammann hatte sich außerdem Unterstützung aus Hamburg mitgebracht: Reinhold Oberlercher, Jahrgang 1943, ehedem führender Aktivist des SDS, der gemeinsam mit Horst Mahler das »Deutsche Kolleg« als Schulungszentrum für völkisches Gedankengut abhält. Ab dem 6. Februar muss sich der als öffentlichkeitsscheu geltende, sich als »nationaler Linker« und »nationalrevolutionärer Theoretiker« bezeichnende Oberlercher gemeinsam mit Mahler und dem dritten Kopf des »Kollegs« Uwe Meenen vor den von ihnen so genannten »Hilfswilligen der Fremdherrschaft«, den Richtern einer Strafkammer des Berliner Landgerichts, wegen Volksverhetzung verantworten.

Oberlercher reklamierte sein Recht, mitdiskutieren zu dürfen. »Sie können sich gerne mit uns prügeln«, erwiderte er auf den Versuch der Veranstalterinnen, die ungebetenen Gäste aus dem Publikum zu entfernen. Ein Beamter des Staatsschutzes sprang lautstark Oberlercher und Dammann bei und forderte die Schülerinnen auf, doch mit den geschulten Kadern zu reden. Notgedrungen löste der VHS-Leiter die Veranstaltung auf.

Triumphierend zogen Oberlercher und Gefolge ab. »Ich bin kein Faschist, ich bin Nationalsozialist«, tönte ein junger Neonazi zum Abschied vor den Ohren der Staatsschützer. Rasch wurde noch ein Flugblatt der JN verteilt, das sich geifernd über die »Menschenjagd« und die »Hetzkampagne gegen die Nationale Opposition« beklagt, die von mehreren namentlich benannten Personen aus Buxtehude und Umgebung betrieben werde. Den vermeintlichen Sieg verkündete das »Aktionsbüro Norddeutschland« prompt auf seiner Internet-Site: »Antifa-Podiumsdiskussion in der VHS durch nationale Besucher gewaltfrei aufgelöst«. Für die am nächsten Abend am gleichen Ort geplante Veranstaltung kündigten die Rechten ihre Rückkehr an.

Durch den Berichterstatter der Lokalzeitung erfuhren Schulleiter und Politiker der Stadt von dem Vorfall und gaben ihre Empörung zu Protokoll. Am Abend ließ sich keiner von ihnen blicken. Die »Initiative gegen rechte Gewalt und Intoleranz« unter Schirmherrschaft des Bürgermeisters hielt sich bedeckt. Allerdings waren 60 Schüler des Gymnasiums und einige Lehrer vor Ort. Zehn Neonazis traten den Rückzug an. Den VHS-Leiter verließ trotzdem der Mut, und das Referat über die rechten Strukturen in der Region wurde nicht gehalten.

Uwe Ruprecht

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