VVN-BdA Stade

Euros für das Deutschtum

von Samuel Salzborn

aus Jungle World Nr. 8 vom 17.Februar 1999


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© VVN-BdA Stade 2003


Die Berufsvertriebenen haben ihren Frieden mit der neuen Regierung gemacht. Kein Wunder: Sie bekommen künftig wesentlich mehr Geld als bisher.

»Erster Prüfstein«, kommentierte der Bund der Vertriebenen (BdV) vor einigen Wochen die Offerte der SPD zu einer besseren Zusammenarbeit, »für die Tragfähigkeit des Angebotes werden die anstehenden Haushaltsberatungen sein.« Seit die Bundesregierung vor einigen Tagen ihren Etat für dieses Jahr vorgelegt hat, steht auch für die »Vertriebenen« fest: Die Regierung Schröder ist nicht über den Stein gestolpert. Sie hat die Ankündigung ihres Aussiedlerbeauftragten Jochen Welt umgesetzt: »Wir haben vorerst keine grundsätzliche Kurskorrektur vor.«

Damit nicht genug. Welt kündigte an, man werde »die Mittel für Vorortmaßnahmen ausbauen«. Auch darauf mußten die fast zwei Millionen BdV-Mitglieder nicht lange warten. Von Mittelkürzungen blieb der Vertriebenenbund weitgehend verschont; unter dem Strich bekommt er sogar deutlich mehr Geld von der rot-grünen Bundesregierung als von der konservativen.

»Das Unverhältnis zwischen SPD und BdV ist beendet«, bejubelte der Deutsche Ostdienst (DOD) den Etatentwurf. Das BdV-Organ hat allen Grund zur Freude: Allein die Zahlungen für

»Maßnahmen zur Förderung der Integration von Spätaussiedlern und Vertriebenen« aus dem Topf des Bundesinnenministeriums sind innerhalb eines Jahres um 76 Prozent auf 19,65 Millionen Euro (38,42 Millionen Mark) angestiegen - während die Zahl der Spätaussiedler, die in die Bundesrepublik kommen, seit 1996 stetig rückläufig ist. In seiner Bonner Hauptgeschäftsstelle darf der revisionistische Zentralverband darüber hinaus zwei neue Stellen einrichten: Die institutionelle Förderung wurde von 1,78 Millionen Euro (3,48 Millionen Mark) auf 1,83 Millionen (3,58 Millionen Mark) erhöht.

Leicht zurückgehen sollen dagegen die Mittel für die Unterstützung »deutscher Minderheiten in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa einschließlich nichteuropäischer Nachfolgestaaten der UdSSR«. Von den im Etat des Innenministerium veranschlagten 64 Millionen Euro (125 Millionen Mark) sollen aber immerhin 56 Millionen (115 Millionen Mark) übrigbleiben. Bei dem zu diesem Bereich gehörenden Posten »Leistungen zur Schaffung von Lebensgrundlagen für die deutschen Minderheiten« ist vermerkt, wofür das Geld aufgewandt werden soll: für die Unterstützung beim »Aufbau von Verwaltungseinheiten in Regionen mit deutscher Bevölkerung« und für die »Festigung sonstiger deutsch besiedelter oder künftig von Deutschen zu besiedelnden Regionen«.

Zu den Mitteln aus dem BMI-Haushalt kommt die finanzielle Förderung »kultureller Maßnahmen im Rahmen des § 96 BVFG«. Dieser Paragraph des Bundesvertriebenengesetzes besagt, daß das »Kulturgut der Vertreibungsgebiete« im »Bewußtsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes« erhalten werden soll. 24 Millionen Euro (47 Millionen Mark) veranschlagt die Bundesregierung für diesen Zweck 1999. Ein Vergleich zum vergangenen Jahr ist schwer möglich, weil diese Haushaltstitel in das Ressort des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Michael Naumann, fallen - diesen Posten gab es unter der letzten Bundesregierung noch nicht.

Einzelne Beispiele zeigen dennoch, woher der Wind weht: Unter den 24 Millionen finden sich auch 645 000 Euro (1,26 Millionen Mark) für die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat (OKR), die im letzten Jahr in die Schlagzeilen gekommen war, weil sie den Neofaschisten Claus Nordbruch aus Südafrika mit einem Preis geehrt hatte (Jungle World, Nr. 14/98). Die bündnisgrüne Abgeordnete Annelie Buntenbach forderte damals in einer Fragestunde des Bundestages Auskunft zu den Umtrieben des OKR-Preisträgers. Sie erhielt die Antwort, die Bundesregierung sehe »keinen Anlaß zu Konsequenzen hinsichtlich der Förderung der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat«. Im letzten Jahr hatten die Mittel, die an die OKR flossen, etwa eine Million Mark betragen.

Um sicherzustellen, daß die Zahlungen auch einen würdigen Rahmen erhalten, wird Gerhard Schröder die Festansprache halten, wenn der BdV am 29. Mai, dem Tag der deutschen Heimatvertriebenen, im Berliner Dom das 50jährige Bestehen der Bundesrepublik feiert. Der Anfang September stattfindende »Tag der Heimat«, für den in den letzten Jahren die Berliner Sömmeringhalle angemietet worden war, wurde dafür nach Stuttgart verlegt, wo vor einem halben Jahrhundert die erste Veranstaltung dieser Art stattfand.

Überraschend kommt Schröders Auftritt bei dem Berliner Revanchistenkarneval nicht. Zu den beiden Parlamentarischen Staatssekretären im Bundesinnenministerium, Fritz Rudolf Körper und Cornelie Sonntag-Wolgast, beide SPD, pflegte der Bund der Vertriebenen schon lange Zeit vor der Bundestagswahl gute Kontakte, die nach dem Regierungswechsel noch intensiviert wurden. Körper gehört zu denjenigen sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten, die bereits im Oktober 1995 einen »konstruktiven Dialog mit den ostdeutschen Landsmannschaften« forderten, wobei mit »ostdeutsch« nicht die fünf neuen Bundesländer gemeint waren, sondern Polen, Tschechien, die Slowakei, Rumänien, Ungarn, Rußland und Kasachstan. Bei einem gemeinsamen Treffen vereinbarte die SPD damals mit Vertretern der »Vertriebenenverbände« den »Neubeginn eines Dialoges«.

Ende 1997 fand ein weiteres Treffen zwischen SPD-Spitzenpolitikern und BdV-Repräsentaten statt. Im April 1998 besuchte der damalige SPD-Bundesgeschäftsführer und heutige Bau- und Verkehrsminister Franz Müntefering die BdV-Bundesgeschäftsstelle. Er ging nicht, ohne zu versichern, daß der BdV »auch künftig eine wichtige Funktion als Brücke im Prozeß der Verständigung mit den osteuropäischen Nachbarn« einnehmen werde.

Beim vierzigsten BdV-Jubiläum im Dezember vergangenen Jahres betonte Cornelie Sonntag-Wolgast, der neuen Bundesregierung sei »sehr« an einer »guten und sachlichen Zusammenarbeit« mit den »Vertriebenen« gelegen. Auch Innenminister Otto Schily und Kanzleramtsminister Bodo Hombach erklärten in den vergangenen Wochen bei persönlichen Gesprächen mit der BdV-Präsidentin Erika Steinbach (CDU), ihnen sei an einer »fairen partnerschaftlichen Zusammenarbeit« mit dem BdV gelegen.

So bleibt also, was die guten Bonner Beziehungen der Revanchisten angeht, alles beim alten - fast: Gestrichen wurden alle Zahlungen des Auswärtigen Amts (AA) an den Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA). Eine Namensänderung in »VDA - Verein für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland« im November letzten Jahres war offenbar zu spät gekommen: Wenige Wochen später erklärte das AA, deutsche Aktivitäten im Ausland sollten »auf andere Mittler« übergehen, wobei ein »moderner, auf Kulturdialog gerichteter Ansatz« besonders wichtig sei.